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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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erst lernte), durch einen möglichst interessanten Englischunterricht die Kin<strong>der</strong><br />

zu interessieren, z.B. indem er unmögliche Dinge (Pferde mit Rä<strong>der</strong>n etc.)<br />

zeichnete. Doch schon bald verurteilte er solchen glänzenden Unterricht: Er<br />

wollte Kin<strong>der</strong> nicht zum Lernen überreden o<strong>der</strong> verführen, <strong>der</strong> Antrieb sollte<br />

<strong>aus</strong> ihnen selbst kommen. Verführung zum Lernen von außen sei ein Anschlag<br />

auf die Entscheidungsfreiheit und Autonomie des Kindes: Das so bewirkte<br />

gute Lernen sei gerade das Gegenteil von guter Erziehung, d.h. einer<br />

Erziehung, die den inneren Antrieben folgt 332 .<br />

Die Kin<strong>der</strong> sollten sich nun gegenseitig lehren, sie schrieben und erzählten<br />

einan<strong>der</strong> Geschichten, lasen Tiger Tim Weekly -Groschenhefte, die Neill in<br />

großer Menge <strong>aus</strong> England besorgt hatte, und Neill hängte zum Spaß unsinnige<br />

englische Schil<strong>der</strong> auf. Doch das Englisch-lehren überhaupt interessierte<br />

ihn zunehmend weniger: Erziehung sollte Leben sein, aber Leben ist kein<br />

Schulfach. Neill lehnte Schulfächer ab und bekannte, daß er unfähig ist, eine<br />

Lern-Schule zu betreiben, daß er statt dessen eine durch und durch kreative<br />

Schule wolle, wo Theaterstücke geschrieben und Tänze erfunden werden, und<br />

wo in Kupfer gearbeitet werde: die eine durch und durch Tätigkeits- und nicht<br />

Lern-schule ist, eine Schule für die Libido, nicht für den Intellekt.<br />

‚Mit einem plötzlichen Schock ist mir klargeworden, daß Lehren mich nicht mehr interessiert.<br />

Englisch-lehren langweilt mich zu Tode. Mein ganzes Interesse gilt <strong>der</strong><br />

Psychologie.‘ 333<br />

Neill vertiefte sich statt in den Unterricht zunehmend in die Psychologie (=<br />

Psychoanalyse), zuerst nur bei Derrick, dann auch bei an<strong>der</strong>en Schülern und<br />

den Rhythmik-Studentinnen. Er hielt psychologische Vorträge und eine Psychologieklasse<br />

für ältere Schüler und Rhythmik-Studentinnen. Und er begann<br />

wie<strong>der</strong>, wie schon in London, mit den (bei Lane gelernten) Privatstunden<br />

(Private Lessons), therapeutischen Sitzungen mit Traumdeutungen etc., auch<br />

für die Rhythmik-Studentinnen (Neill 1923a beschreibt dramatische Beispiele).<br />

Er kam - ähnlich wie schon Lane - zu dem Ergebnis, daß die Behandlung<br />

in einem speziellen Sprechzimmer hoffnungslos sei, daß man die Psychoanalyse<br />

mit den Kin<strong>der</strong>n leben müsse, um das Arbeiten ihres Unbewußten zu sehen,<br />

und dann die Umgebung an die spezifischen Be-<br />

332 Diese Ansicht behielt er lebenslang bei, sie war <strong>der</strong> Grund für viele spätere Probleme mit<br />

Lehrern in Summerhill und zweifellos auch für die geringen Schulleistungen vieler Summerhill-Schüler.<br />

Diese mangelnde Motivierung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> durch Erwachsene war wohl<br />

die häufigste, wenn nicht gar allgemein übliche Kritik <strong>der</strong> Freunde Summerhills an Neill<br />

(vgl. Kapitel 18.2.2).<br />

333 „It has come to me with something of a sudden shock that I am no longer interested in teaching.<br />

Teaching English bores me stiff. All my interest is in psychology.“ (Neill 1923a:<br />

196)<br />

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