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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Da die Erzieher (bzw. <strong>der</strong>en vorgesetzte Stellen, zumindest nicht die Kin<strong>der</strong>)<br />

das Erziehungskonzept festlegen, und Selbstregierung nur dort und nur<br />

so möglich ist, wo und wie Erzieher sie zu ihrem Konzept machen, gibt es<br />

(abgesehen von einer entsprechenden Ausbildung und Auswahl <strong>der</strong> Erzieher)<br />

keine Sicherungsmöglichkeiten gegen versteckte Erzieherherrschaft.<br />

Formal tun bei diesem Konzept die Kin<strong>der</strong> alles selbst, die Entscheidungen<br />

und Beschlüsse stammen von ihnen, alles kann höchst demokratisch <strong>aus</strong>sehen,<br />

und bei rein formaler Untersuchung, etwa <strong>der</strong> Verfassung, ist die Fernsteuerung<br />

kaum feststellbar.<br />

Die Kin<strong>der</strong> engagieren sich sogar aktiv für Maßnahmen, die sie gar nicht<br />

wünschen, und stimmen scheinbar ohne Druck und freiwillig gegen die eigene<br />

Meinung o<strong>der</strong> Überzeugung. Selbstregierung und Selbstbestimmung werden<br />

tatsächlich aber reduziert auf Selbstzensur, vor<strong>aus</strong>eilenden Gehorsam und<br />

Unterwerfung unter ein vorgegebenes Moralsystem. Dies Verfahren kann anhand<br />

<strong>der</strong> Theorie von Foerster sowie <strong>der</strong> Praxis von Makarenko, Silva und<br />

vermutlich auch Flanagan studiert werden (vgl. Kapitel 5, 20, 23, 21).<br />

Am einfachsten und durchschaubarsten sind die direkten (sehr freundschaftlichen)<br />

Auffor<strong>der</strong>ungen, Selbstzensur zu üben und so den nachträglichen<br />

Eingriffen und Abän<strong>der</strong>ungen von Entscheidungen durch Erwachsene<br />

(z. B. per Vetorecht) vorzubeugen. Dies könnte etwa folgen<strong>der</strong>maßen klingen:<br />

‚Ihr dürft alles tun, was ihr wollt. Aber ich werde / kann natürlich nicht zulassen, daß<br />

ihr Fehler begeht. Darum achtet darauf, daß ihr <strong>nichts</strong> wollt, das ich möglicherweise<br />

nicht billigen könnte. Denn dann müsste ich einschreiten - und das wollen wir doch<br />

beide nicht.‘ O<strong>der</strong>: ‚Gerade weil ich Euch so großzügig völlige Freiheit gewähre, wäre<br />

es doch <strong>aus</strong>gesprochen undankbar, etwas zu wünschen, was ich nicht billige.‘<br />

Die Gewährung extensiver Selbstbestimmungsrechte kann bedeutungslos<br />

werden, wenn dem ebenso extensive, vage und undefinierte o<strong>der</strong> stets greifende<br />

Eingriffsrechte <strong>der</strong> Erzieher gegenüberstehen. Eine exakte Abgrenzung<br />

und Eingrenzung <strong>der</strong> Kompetenzen <strong>der</strong> Selbstregierung spricht<br />

(paradoxerweise) weit eher für eine wirklich echte Selbstbestimmung als die<br />

formale Gewährung totaler Freiheit, in die dann zwangsläufig eingegriffen<br />

werden muß.<br />

Wenn ein Jugendlicher unter dem Einfluß von Selbstzensur-Empfehlungen<br />

zumindest halb freiwillig und ohne direkten Zwang einem Beschluß zugestimmt<br />

hat, wird es ihm schwerfallen, sich offen seinem eigenen Beschluß zu<br />

wi<strong>der</strong>setzen. Da man freiwillig zugestimmt hat, muß man die Regeln und Beschlüsse<br />

dann auch befolgen. Jede offene Opposition o<strong>der</strong> Insassensolidarität<br />

gegen das Reglement wird so unmöglich o<strong>der</strong> zumindest<br />

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