Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

diesem Wochenende extra fortgefahren in der Hoffnung, daß sie ausbrechen würde‘
102 .
Als Mitte der Dreißiger Jahre einige wirklich antisoziale Kinder ihre Aggressionen
ausagierten und andere Kinder es ihnen nachmachten, herrschten bald
anarchische Zustände:
‚Es wurden keine Gesetze mehr eingehalten, und die Beamten waren verzweifelt.
Neill verkündete plötzlich, daß, da die Demokratie offenkundig versagt habe, er sich
zum Diktator ausrufe, und daß nur wir selbst daran schuld seien. Zunächst lachte jeder,
aber als sie merkten, daß es strenge Beschränkungen bei den Mahlzeiten gab, und
wie oft man ins Kino oder in die Stadt durfte, herrschten nach zwei Wochen Trübsinn
und Verzweiflung. Dann gab es eine Rebellion, doch Neill sagte, daß es noch
schlimmer kommen werde. Schließlich wurde eine Deputation geschickt, um ihn zu
bitten, die Lockerung all dieser Beschränkungen zu erwägen, und als er ablehnte,
merkten wir, was es heißt, unter einem totalitären Regime zu leben. Im richtigen Moment,
so sagte er, sei er bereit zu einer Versammlung, um zu hören, was geredet wird,
und dann werde er seine Bedingungen für die Beendigung der Diktatur umreißen.
Wenn die Bedingungen nicht akzeptiert würden, werde die Diktatur noch weiter verschärft.
Es gab einen ziemlichen Aufruhr in der Versammlung, und an einem Punkt
sagte Neill: ‚Richtig, eine Diktatur ist es!‘ und er stand auf, als ob er hinausgehen
wollte. An diesem Tag siegte er schließlich, und wir kehrten zur Selbstregierung zurück
und beschlossen, selbst die Verantwortung für uns zu übernehmen. Es war brillant.‘
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‚Ich erinnere mich, daß er auf einer Versammlung plötzlich sagte: ‚Es wird so
langweilig, Gesetze, immer nur Gesetze‘. Sie begannen, alle Gesetze durchzugehen
und zu sehen, ob sie welche streichen könnten. Aber ein Kind sagte: ‚nein nein, dieses
Gesetz müssen wir behalten‘, und ein anderes sagte: ‚nein, nein, jenes Gesetz müssen
wir behalten‘. Und dann sagte Neill: ‚Ich schlage vor, daß wir sämtliche Gesetze
streichen und ganz neu anfangen‘. Und überraschenderweise wurde dies ak-
102 „One week-end when we were there, and Neill wasn't, we heard the sound of breaking
crockery. When we asked in the staff room what it was all about, we were told: ‚Oh, that's
the revolution Neill wanted. He's gone away specially for the week-end hoping that it
would break out.‘“ (Lionel Elvin and his wife, in Croall 1984: 178)
103 „Before long a state of anarchy reigned: no rules were being kept, and the officers were in
despair. Neill suddenly announced that as democracy had obviously failed he was pronouncing
himself dictator, and we had only ourselves to blame. At first everyone laughed,
but when they discovered there were very strict restrictions on mealtimes, how many times
you could go to the cinema or down town, within a fortnight there was gloom and
despair. Then there was a rebellion - but Neill said it would get worse still. Finally a deputation
was send to ask him to consider relaxing all these restrictions, but he said he
wouldn't do that, we were finding what it was like to live under a totalitarian regime. At
the right moment he said he would be prepared to have a meeting to listen to what was
being said, and he would then outline his conditions for stopping to be dictator. If the
conditions were not accepted, then the dictatorship would be stepped up. There was quite
an argy-bargy at the meeting, and at one stage Neill said: ‚Right, dictatorship it is‘ and
got up as if to go out. Finally he won the day, and we went back to self-government, having
agreed to take responsibility for ourselves. It was brilliant.“ (Roger Anscombe in
Croall 1984: 178)
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