09.12.2012 Aufrufe

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

urt bereits abgeschlossen. In <strong>der</strong> Kindheit wird die geistige kulturelle, soziale<br />

und ethische Entwicklung <strong>der</strong> Menschheit nachvollzogen.<br />

Auf je<strong>der</strong> Stufe werden neuerworbene Tugenden und Fähigkeiten <strong>aus</strong>gedrückt,<br />

erprobt, eingeübt und verarbeitet. Die Bewältigung <strong>der</strong> Aufgaben, Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

und Konflikte einer Stufe sind die notwendige grundlegende<br />

Vor<strong>aus</strong>setzung für die Bewältigung <strong>der</strong> nächsten, weniger primitiven. Keine<br />

Stufe kann übersprungen o<strong>der</strong> künstlich beschleunigt und abgekürzt werden.<br />

Das Kind soll seinem inneren Antrieb gemäß aktiv aufwachsen, nicht passiv<br />

äußerlich-künstlich großgezogen werden. Versuche, vorzeitig Tugenden und<br />

Moral zu predigen o<strong>der</strong> zu erzwingen, die das Kind noch gar nicht beherrschen<br />

kann, sind zwecklos, schädlich und bestenfalls reine Verhaltensdressur.<br />

Den einzelnen Entwicklungsphasen entsprechen jeweils bestimmte Formen<br />

<strong>der</strong> Lebensenergie (Libido), d. h. Liebesformen.<br />

Dem Kleinkindalter (infancy) entspricht die Selbstliebe, dem darauffolgenden<br />

Vorstellungsalter (age of imagination) die egoistische Liebe zur<br />

Mutter als <strong>der</strong> Dienerin, von <strong>der</strong> das Kind abhängig ist. Mit Spracherwerb<br />

und verbalem Ideen<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch lernt das Kind die Welt des Nicht-realen, <strong>der</strong><br />

Vorstellungen kennen, wobei die Grenze zwischen <strong>der</strong> bekannten Erfahrungswelt<br />

und <strong>der</strong> neuen Vorstellungswelt lange Zeit nebelhaft bleibt. Das<br />

Kind kann Phantasie und Realität noch nicht unterscheiden und verfügt deshalb<br />

in seiner Vorstellung über die Macht, die gesamte Welt selbst zu formen,<br />

sich mit Dingen, Tieren o<strong>der</strong> Menschen zu identifizieren und tatsächlich als<br />

sie zu leben.<br />

Zum Selbstbehauptungsalter (age of self- assertion, ca. 7 - 11 Jahre) gehört<br />

eine noch immer stark egoistisch geprägte Form <strong>der</strong> Nächstenliebe<br />

(love of Neighbour), <strong>der</strong> Wunsch nach sozialen Beziehungen über die Familie<br />

hin<strong>aus</strong>, vor allem in <strong>der</strong> Gleichaltrigengruppe. Menschheitsgeschichtlich<br />

entspricht das Selbstbehauptungsalter dem Zeitraum vom Beginn primitiver<br />

Gesellschaften bis zum Beginn echter Zivilisation. Das Kind hat nun begriffen,<br />

daß nicht vorgestellte, son<strong>der</strong>n nur wirkliche Taten zählen. Es will nun<br />

echte Erfahrungen machen und seine Vorstellungen in die Tat umsetzen,<br />

seine Kraft, Macht und Unabhängigkeit erproben und sie sich und an<strong>der</strong>en<br />

beweisen: durch Schreien und Türenschlagen und echte Kämpfe mit echten<br />

Kin<strong>der</strong>n und Erwachsenen, durch Aggressivität, physische Tapferkeit, Heldentum<br />

und Mißachtung von Gefahr.<br />

Sein intensives Freiheitsbedürfnis in dieser antisozialen 76 Phase läßt das<br />

Kind gegen jegliche Autorität anrennen, und dies führt zu erheblichen Disziplinproblemen.<br />

Mutig bekämpft es die prosaischen gesellschaftlichen Kon-<br />

76 Neill bezeichnet dieses Alter als das Gangsterstadium.<br />

109

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!