Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

23.3.6. Schule
Möbius und Sana präsentieren die Schule Bempostas als eine weitestgehend
von der jugendlichen Selbstregierung beherrschte perfekte und radikale reformpädagogische
Alternativschule: Die Lehrer sind Kameraden, werden allein
in Wissensfragen als Autorität anerkannt und sind lediglich Berater, deren
Sachverstand von den Schülern herangezogen wird. Eine Leistungsbewertung
in Form von Zensuren, Klassenarbeiten und Prüfungen findet nicht statt,
es gibt nur eine jährliche gesprächsweise Gesamtbeurteilung der Stärken,
Schwächen und Entwicklungsmöglichkeiten sowie die staatlich vorgeschriebenen
Zeugnisse. Die Leistungen sind gut oder überdurchschnittlich. Die
Disziplin in der Klasse ist allein Sache der Selbstregierung, welche Störenfriede
vom Unterricht ausschließt, was einen empfindlichen Verdienstausfall
bedeutet. Denn Schulbesuch wird ebenso im Stundenlohn bezahlt wie andere
Arbeit. Disziplinprobleme gib es nicht. (Möbius 1981: 96 - 103, Sana 1979:
43 f.)
„Die Lehrer sollen nicht Widersacher sein, Zuchtmeister, denen die Schüler unterworfen
sind. Auch nicht Vorbilder, denen die Schüler nacheifern.
Es kommt alles darauf an, die Entscheidungsfreiheit der Kinder möglichst wenig
einzuschränken, damit die spontane Fähigkeit zur kreativen Auseinandersetzung mit
der Gesellschaft im Sinne einer schrittweisen Veränderung nicht erlahmt.“ ... „Die
Erwachsenenwelt, wie sie ist, hat ja eben keinen Vorbildcharakter, sondern soll von
innen her reformiert werden.“ (Möbius 1981: 96)
„Die Erziehung der Muchachos, die in erster Linie eine Selbsterziehung auf ein Ziel
ohne Vorbild hin ist, kennt keine Ferien wie die Schule.“ ... „Die fünfzig dort tätigen
Lehrer sind Angestellte der Kinderrepublik. Sie werden etwas schlechter bezahlt als
die Lehrkräfte an den anderen spanischen Schulen.“ (Möbius 1981: 97)
„Der Direktor amtiert also nicht allein im Auftrag der Muchachos, sondern ist doch
immer ein wenig der Statthalter des anderen, des spanischen Staates. Als jedoch einer
der Direktoren nach zwei Jahren zufriedenstellender Tätigkeit das traditionelle Autoritätsgehabe
hervorkehren wollte, traten die Muchachos in den Schulstreik und erzwangen
so die Abberufung des nicht mehr akzeptierten Beamten.“ (Möbius 1981: 98)
Der Beschreibung von Poschkamp u. Schnyder (1985: 64 - 73, 94, 112) nach
ist die Schule zwar zweifellos etwas liberaler als in Spanien üblich. Manche
Lehrer werden geduzt und die Klassen sind klein, weil selbstfinanzierte unausgebildete
Zusatzlehrer eingestellt wurden. Die Schule ist aber alles andere
als anti-autoritär oder selbstregiert. Gelegentlich gibt es dort auch Ohrfeigen.
Der Unterricht zielt oft noch auf Auswendiglernen statt Verstehen, die Leistungen
sind deutlich unterdurchschnittlich, obwohl die Noten (wegen höherer,
vom Heim einbehaltener Stipendien und besserer Außendarstellung) gern
angehoben werden.
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