09.12.2012 Aufrufe

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

entierten Strafsystem, mit dem er prinzipiell (für Erwachsene) übereinstimmte.<br />

Flanagans Motto Einen schlechten Jungen gibt es nicht, bezieht sich lediglich<br />

auf junge, prägbare Menschen. Über Erwachsene urteilte Flanagan<br />

grundsätzlich äußerst hart. Seine Militärbegeisterung, seine Verteidigung einer<br />

konservativen Auslegung <strong>der</strong> katholischen Erbsündenlehre und seine entschiedene<br />

Befürwortung <strong>der</strong> Todesstrafe sowie Flanagans Äußerungen über<br />

das absolute natürliche Sittengesetz und die Notwendigkeit von Führung,<br />

Überwachung und Autorität sind Beispiele dafür (vgl. Wagner 1957: 196 ff.).<br />

Die Beschreibungen seines Selbstverwaltungssystems betonen dementsprechend<br />

nicht Rechte und Freiheiten <strong>der</strong> Jungen, son<strong>der</strong>n die intensive Kontrolle<br />

<strong>der</strong> Jugend bis hin zur dreimal täglichen Anwesenheitskontrolle in Boys<br />

Town (Adlhoch 1951: 309), sowie die Überwachungs-, Einfluß- und Kontrollmöglichkeiten<br />

durch die im Heim tätigen Priester. Man kann begründet<br />

vermuten, daß er Anhänger <strong>der</strong> These war, <strong>der</strong> Mensch sei von Natur <strong>aus</strong><br />

schlecht (vgl. Kapitel 4.4.).<br />

Alle Autoren weisen gewichtig auf die Selbstregierung <strong>der</strong> Jungenstadt hin,<br />

aber kaum jemand befasst sich näher damit: Bei etwa 750 Seiten Literatur<br />

wird die Selbstregierung, das bekannteste Charakteristikum des Heims überhaupt,<br />

auf nur etwa 10 Seiten 563 behandelt, und dies bemerkenswert vage,<br />

ungenau und rein formal.<br />

Zwar werden einige Ämter und <strong>der</strong> Wahlmodus erwähnt, die Aufgaben und<br />

Kompetenzen <strong>der</strong> Beamten bleiben aber weitgehend im Dunkeln, ebenso wie<br />

die Eingriffe o<strong>der</strong> Nicht-Eingriffe <strong>der</strong> Erwachsenen. <strong>Wer</strong> wie welche Gesetze<br />

beschließt und durchsetzt, wer was verwaltet, wer letztlich straft und womit,<br />

wird nicht erklärt. Die verwendeten Formulierungen sind höchst ungenau.<br />

Das Gericht, dem Kommissare zur Seite stehen, unterliegt zum Beispiel gewissen<br />

Beschränkungen und agiert unter Aufsicht eines Priesters, <strong>der</strong> zugleich<br />

Berufungsinstanz ist und für leichtere Vergehen zuständig ist. Die gewählten<br />

Beamten erhalten monatlich 5 $ Gehalt (Adlhoch 1951: 311). Doch ihre Aufgaben<br />

bleiben unklar, wenn man einmal davon absieht, daß <strong>der</strong> Bürgermeister<br />

dafür sorgt, daß die an<strong>der</strong>en gewählten Beamten ihre (ungenannten) Amtspflichten<br />

erfüllen, er bei den Mahlzeiten den Vorsitz führt und prominente<br />

Gäste begrüßt (Flanagan 1965: 310).<br />

21.2.1. Entwicklung <strong>der</strong> Selbstverwaltung<br />

Flanagan hatte sich vor Gründung seines Heims mit an<strong>der</strong>en fortschrittlichen<br />

Einrichtungen befasst: den Boys Clubs, <strong>der</strong> Bewegung <strong>der</strong> Großen<br />

563 Oursler (1951: 248 - 254); Wagner (1957: 91 - 92, 136 - 137, 197 - 198).<br />

549

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!