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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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wähnt die Ablösung mit keinem Wort. Da Schardt formal die nötige Konzession<br />

fehlte, machte er das gut befreundete Frl. Dr. Strienz zur Leiterin.<br />

Für Schardt war Hermann Harless allzu reformerisch und frei, hielt zu wenig<br />

auf Disziplin und achtete (im Einvernehmen mit <strong>der</strong> Regierung!) zu wenig<br />

auf das Jahrespensum. Die Schule wurde, zunächst noch unter Harless Leitung,<br />

in eine ordentliche Lernschule umgewandelt: auf die Kin<strong>der</strong><br />

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lerin Mary Dietrich verheiratet, die einst im Festspielh<strong>aus</strong> Claudels ‚Verkündigung‘ gespielt<br />

hatte, und sah dem betrauerten Wolf Dohrn merkwürdig ähnlich.“ (de Mendelssohn<br />

1993: 19)<br />

Nach Marquartstein ging er allerdings erst 1928, von 1924 bis 1924 leitete er das Nordseepädagogium.<br />

Das Datum seiner Ablösung läßt sich durch nachfolgenden Vorgang auf<br />

etwa Oktober 1923 datieren:<br />

Am 12. Oktober 1923 bat eine Gruppe (im Anschluß an eine Versammlung im Schulh<strong>aus</strong>)<br />

in einem Brief an den Gemeindevorstand Hellerau darum, in einem Raum <strong>der</strong><br />

Volksschule für Arbeiter kostenlos wöchentlich Dienstagabends „Arbeitsgemeinschaften<br />

nach Art <strong>der</strong> Volkshochschule“ abhalten zu dürfen. Als Erstes soll die Lehrerin <strong>der</strong> höheren<br />

Schule, Frl. Martha Strinz (die den Brief auch geschrieben hat) einen „Kursus über<br />

die Erziehung zum klaren und logischen Denken“ abhalten. Interessant ist dabei die Liste<br />

<strong>der</strong> 26 zum Teil hochrangigen Unterzeichner, u. a.: <strong>der</strong> bisherige Leiter <strong>der</strong> Höheren<br />

Schule (Hermann Harless), <strong>der</strong> neue Leiter (Dr. Alois J. Schardt) mit einigen Lehrern<br />

(u. a. Martha Strinz), <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Volksschule (Max Nitzsche), <strong>der</strong> Besitzer <strong>der</strong> Bildungsanstalt<br />

(Harald Dohrn), <strong>der</strong> Eigentümer <strong>der</strong> Deutschen <strong>Wer</strong>kstätten (Karl Schmidt)<br />

sowie <strong>der</strong> Betriebsrat <strong>der</strong> Deutschen <strong>Wer</strong>kstätten. (Stadtarchiv Dresden, Bestand<br />

Rähnitz-Hellerau, Abt. 9 Nr. 74, Neue Schule und Privatschule 1923-31, Bl.3).<br />

Im März 1924 schrieb Harless in einem Brief (im Archiv <strong>der</strong> École de l'Humanité, zitiert<br />

von <strong>Martin</strong> Näf im unveröffentlichten Manuskript Briefe von und an Hermann u. Elisabeth<br />

Harless, das ich über Axel Kühn erhielt), er sei nicht mehr Leiter <strong>der</strong> Hellerauer<br />

Schule:<br />

„Als Angestellter einer reichlich ahnungslosen Aktiengesellschaft, die ihrerseits nur<br />

Pächterin <strong>der</strong> Häuser etc. war, war meine Stellung schon immer reichlich prekär gewesen,<br />

wurde aber höchst problematisch durch Disharmonien und Rechtsstreitigkeiten zwischen<br />

dem eigentlichen Besitzer, <strong>der</strong> Bildungsanstalt GmbH, und unsrer AG.“ Der wirkliche<br />

Schulleiter Dr. Schardt und seine Frau seien angenehme Menschen, aber pädagogische<br />

Dilettanten. „Ich war ihnen zu frei, hielt nicht genügend Disziplin, richtete mich (im Einvernehmen<br />

mit <strong>der</strong> Regierung) zu wenig nach den Jahrespensen. Kurz war schulreformerisch<br />

suspekt. Da es mir unter diesen Umständen unmöglich war, die Leitung als Strohmann<br />

weiterzuführen, wie Herr Dr. Schardt es wünschte, Frl. Dr. Strienz als Leiterin berufen.“<br />

Sie war mit Schardt befreundet, besaß als ehemalige Leiterin <strong>der</strong> Berliner Mädchen-Gymnasialkurse<br />

die nötige offizielle Konzession und wollte Geheeb in Kürze besuchen.<br />

Harless bat Geheeb, sie möglichst in ihren Autoritäts-, Disziplin- und formalen<br />

Bildungsvorstellungen zu erschüttern. „Meine Schule ist inzwischen natürlich erst ordentlich<br />

geworden: Die Kin<strong>der</strong> lernen unter Druck und suchen Eindruck zu machen. Eine<br />

scharfe Versetzung hat Heulen und Zähneklappern erregt. Die Lehrer laufen verschüchtert<br />

und ohne Vertrauen herum und verlassen die Schule allmählich. Gläubige, wohlbenotete<br />

Kandidaten nehmen ihre Stelle ein. Es wird eine richtige Lernschule mit allerlei angenehmen<br />

Begleiterscheinungen, vor allem wird die Handwerkspflege weiterhin gut <strong>aus</strong>gebaut<br />

und ein Montessori-Kin<strong>der</strong>garten gemacht. Auch glaube ich, daß Schardt und<br />

auch Frl. Strienz noch vieles lernen werden. Für mich ist die Lage nicht schön. Ich halte<br />

Abstand, nachdem man mit einmal fristlos gekündigt hatte, weil ich in einem kommunistischen<br />

H<strong>aus</strong> einen theoretischen Einheitsschulplan für Hellerau mit Volksschulkollegen<br />

beraten hatte.“

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