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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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erklärt und entschuldigt die landläufige Auffassung. Doch man darf die<br />

Neill'schen Äußerungen nicht nur einfach zum Nennwert wörtlich nehmen:<br />

Auf Äußerungen wie „Ich hörte auf, mich mit Politik, welcher Art auch immer,<br />

zu beschäftigen“ (Neill 1982: 255) „Ich habe keine politische Überzeugung“<br />

(ebd. 256) „Ich gab die Politik auf“ (ebd. 260) folgt rasch auch ein sehr<br />

massives politisches Bekenntnis:<br />

„Nie<strong>der</strong> mit dem Kapitalismus! Laßt die Arbeiter die Kontrolle übernehmen! In Rußland<br />

taten sie es. Utopia war Wirklichkeit geworden. Eine Welt ohne Profit und Klassen.<br />

Das war 1917. Heute, 1972, sind die Arbeiter Schafe, die von gar nicht so<br />

freundlichen Schäfern geführt werden.“ (Neill 1982: 262)<br />

Neill scheint den Begriff Politik generell im Sinne aktueller Staats- und Regierungsgeschäfte,<br />

von kurzfristiger Tages- und Partei- und Regierungspolitik<br />

zu benutzen, für die Tätigkeiten <strong>der</strong> hochrangigen Politiker, die gegenwärtigen<br />

Haupt- und Staatsaktionen sowie für die großen Ideologien. O<strong>der</strong> deutlicher:<br />

die Macht- und Interessenpolitik korrupter Politiker über das machtlose,<br />

durch autoritäre Erziehung nie<strong>der</strong>gehaltene Volk 229 .<br />

Diese Politik ist von seinen libertär-sozialistischen Vorstellungen so weit<br />

entfernt, daß sie ihn (zumindest nach dem Zweiten Weltkrieg) kaum noch interessierte<br />

und er damit <strong>nichts</strong> zu tun haben mochte: er beobachtete sie, beteiligt<br />

sich aber kaum aktiv. Daß Neill nicht ein - im landläufigen Sinne - unpolitischer<br />

Mensch war, zeigt sich in seinem Engagement insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> Macht denken; obwohl gewiß mancher Politiker seine Laufbahn begonnen hat mit<br />

dem aufrichtigen Wunsch, die Menschen besser zu machen.“ (Neill 1970d: 25)<br />

229 „Politik ist ein Wort, das alles mögliche bedeuten kann. Heute bedeutet Politik Parteipolitik.<br />

Es bedeutet: eine ganze Nation durch eine <strong>aus</strong>gewählte Gruppe regieren zu lassen,<br />

ob sie in einer Wahl gewählt wird o<strong>der</strong> nicht. Diese Leute sind sehr mächtig und sie kontrollieren<br />

die Erziehung. Ich möchte eine Menge Kin<strong>der</strong> erziehen, die nicht in <strong>der</strong> Gewalt<br />

dieser Leute sein wollen - die von diesen Politikern nicht geführt werden wollen, von diesen<br />

Leuten, die an Kriege glauben, an arm und reich. Ich möchte, daß diese Kin<strong>der</strong> so frei<br />

sind, daß sie keiner führen kann. Sie können kein Summerhill-Kind führen, es würde<br />

keinem folgen. Das ist alles, was ich zu tun versuche. Ich denke nicht an Politik, ich denke<br />

nur an die Kin<strong>der</strong> selbst - sie sollen frei aufwachsen und keine Opfer <strong>der</strong> Macht o<strong>der</strong><br />

des Reichtums werden.“ (Neill im Interview in Der Mythos Summerhill 1971: 43 auf die<br />

Frage: Sollte Erziehung politisch sein? )<br />

„Ich weiß, daß Demokratie ein Schwindel ist; bei unseren letzten Wahlen in England erhielten<br />

die Tories eine Mehrheit, aber die Labour Party und die Liberalen hatten zusammen<br />

mehr Stimmen bekommen als die Tories. Doch da die Alternative zur Demokratie<br />

die Diktatur ist, können wir die Demokratie nicht aufgeben. Es ist alles so düster. Wenn<br />

ich im Fernsehen die Vorwahlen in den USA mit ihren albernen Paraden und Musikkapellen<br />

und Fahnen verfolge, bin ich deprimiert und hoffnungslos.“ (Neill 1982: 258).<br />

„Ich bin völlig davon überzeugt: Wenn Lyndon Baines Johnson längere Zeit Schüler in<br />

Summerhill gewesen wäre, wäre er sicher nicht Präsident <strong>der</strong> Vereinigten Staaten geworden;<br />

um nämlich diese Machtstellung zu erringen, braucht man eine gute Portion Heuchelei,<br />

und um sie zu behalten, muß man weiter heucheln.“ (Neill in Segefjord 1971: 22 f.)<br />

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