09.12.2012 Aufrufe

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Erste amerikanische Versuche mit teilweiser Gefangenen-Selbstverwaltung<br />

fanden schon in den 1790er Jahren im Walnut Street Jail in Philadelphia statt<br />

(vgl. Holl 1971: 243).<br />

W. Cameron Forbes war eine Zeit lang Vorstandsmitglied <strong>der</strong> George Junior<br />

Republic gewesen, bevor er Handels- und Polizeiminister (später Gouverneur)<br />

<strong>der</strong> US-Kolonie Philippinen wurde. 1906 errichtete er hier die 400 km 2<br />

große experimentelle Ilwahig Penal Colony mit Progressivsystem 198 , Gefangenenselbstverwaltung<br />

und einem eigenen Wirtschaftssystem für 1200<br />

Schwerverbrecher (Holl 1971: 267 ff.).<br />

Wohl das radikalste Gefangenenselbstverwaltungs-Modell war Osbornes<br />

Mutual Welfare League 1913 - 1915 in New York.<br />

Thomas Mott Osborne widmete sich nach seinem Rücktritt vom Vorsitz <strong>der</strong><br />

George Junior Republic ganz <strong>der</strong> Gefängnisreform und wurde 1913 Vorsitzen<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> von ihm angeregten Gefängnisreform-Kommission des Staates<br />

New York. Er konzentrierte sich dabei auf das Auburn Prison, in dem mit<br />

seiner Hilfe sein Freund Rattigan zum Gefängnisdirektor ernannt worden war.<br />

Um die Probleme und Mißstände des Gefängniswesens von innen kennenzulernen,<br />

ließ Osborne sich zunächst selbst als Gefangener Tom Brown eine<br />

Woche lang in Auburn einsperren und bat die Mitgefangenen, ihm ihre<br />

Schwierigkeiten mitzuteilen. Zusammen mit den Gefangenen entwickelte er<br />

sein Reformmodell eines teilweise selbstregierten Gefängnisses: die 1914 im<br />

Auburn Prison gegründete Mutual Welfare League. Als Osborne Ende 1914<br />

selbst Gefängnisdirektor des New Yorker Staatszuchth<strong>aus</strong>es Sing Sing wurde,<br />

wurde diese Liga auch dort eingeführt 199 .<br />

Die Liga war vom Gefängnispersonal völlig unabhängig, je<strong>der</strong> Gefangene<br />

konnte Mitglied werden. Durch den Beitritt verpflichtete er sich zur Selbstdisziplin<br />

und zur Loyalität gegenüber <strong>der</strong> Gefängnisverwaltung, erhielt ein<br />

aktives und passives Wahlrecht für die Beamtenämter <strong>der</strong> Liga, hatte teil an<br />

den Vorrechten <strong>der</strong> Liga und trug zum Ausweis dessen den grün-weißen Liga-<br />

Anstecker.<br />

Vergehen und Regelbrüche wurden nun nicht mehr vom Gefängnispersonal,<br />

son<strong>der</strong>n von einer Art Gericht <strong>aus</strong> gewählten Gefangenenbeamten geahndet.<br />

Die einzige Strafe war zeitweiser Ausschluß <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Liga und damit Verlust<br />

<strong>der</strong> Vorrechte <strong>der</strong> Ligamitglie<strong>der</strong>.<br />

Lediglich bei Fluchtversuch, Arbeitsverweigerung, Streik und gewalttätigen<br />

Angriffen blieb <strong>der</strong> Gefängnisdirektor zuständig. Er konnte auch für Fehlverhalten<br />

einzelner Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> gesamten Liga zeitweise die Privilegien entziehen<br />

und so Druck auf den Übeltäter <strong>aus</strong>üben.<br />

198 Damit ist ein Stufensystem gemeint, das entsprechend dem Erziehungsfortschritt schrittweise<br />

die dem Gefangenen gewährte Freiheit und Selbständigkeit erhöht und Kontrollen<br />

lockert.<br />

199 Tannenbaum (1933) berichtet <strong>aus</strong>führlich darüber, Holl (1971: 273 ff.) nur kurz.<br />

241

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!