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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Die Beziehungen zwischen Mitglie<strong>der</strong>n einer Familie sind - idealtypisch -<br />

auf Liebe gegründet, also auf eine irrationale affektiv-emotionale Bindung<br />

(Gatten-, Eltern- und Kindesliebe). Für die Heimerziehung ist vor allem die<br />

Eltern-Kind-Beziehung interessant.<br />

Autoritätsansprüche sind in <strong>der</strong> Familie gleichzeitig und vor allem immer<br />

auch Liebesansprüche. Konflikte drehen sich weit weniger um die exakte Befolgung<br />

exakt fixierter allgemeiner Regeln, denn solche Regeln gibt es hier<br />

kaum, son<strong>der</strong>n um (auch unbewußte) affektive Einstellungen und um allgemeines<br />

Wohlverhalten gegenüber den recht häufig wechselnden persönlichen<br />

Wünschen.<br />

Ein allgemeines Mißfallen entlädt sich häufig in einem vorgeschobenen<br />

Regelkonflikt: plötzlich wird eine allgemeingültige Regel aufgestellt (Ruhe!),<br />

die bei allgemeiner Zufriedenheit stillschweigend wie<strong>der</strong> entfällt. Die Autoritätsansprüche<br />

können dann auch ohne Regelbefolgung erfüllt werden.<br />

Autoritätskonflikte und Liebeskonflikte schlagen so ständig ineinan<strong>der</strong> um.<br />

Selten werden Konflikte offen, rational und dauerhaft - etwa durch Kompromiß<br />

- gelöst. Der Verlierer hält meist den wichtigeren, affektiven Konfliktanteil<br />

in <strong>der</strong> Schwebe, unter Umständen lebenslang. Bei <strong>der</strong> gegenseitigen affektiven<br />

Abhängigkeit in <strong>der</strong> Familie verfügt so auch das Kind durch<strong>aus</strong> über<br />

Macht und Einfluß.<br />

Diese auf affektiv-irrationaler Bindung aufgebaute familiäre Disziplinform<br />

läßt sich nur in relativ kleinen, in ihrer Zusammensetzung relativ<br />

stabilen und gegenüber an<strong>der</strong>en Instanzen relativ autonomen Gruppen<br />

durchführen. Größere Zöglingszahlen erfor<strong>der</strong>n zur Verteilung, Erhaltung<br />

und Pflege von Bauten, Inventar und Kleidung sowie zur Aufrechterhaltung<br />

von Übersicht, Ordnung, Hygiene, Versorgung und geordnetem Tagesablauf,<br />

Personal- und Materialeinsatz mehr formelle Organisation und damit rationalere<br />

Disziplinformen. Ein permanentes unkontrollierbares Umschlagen von<br />

Liebeskonflikten in Regelkonflikte würde hier ständige Unordnung erzeugen.<br />

Bernfeld (1974b) empfiehlt die Kombination von Elementen rationaler<br />

Kasernendisziplin mit Elementen irrational-emotionaler Familiendisziplin zu<br />

einer neuen eigenständigen Disziplinform, welche die Vorteile vereinigt und<br />

die Nachteile vermeidet: zur demokratisch- republikanischen Disziplin, die<br />

sich am Modell von Staat und Stadt orientiert.<br />

Einerseits for<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Staat strikten Gehorsam, jedoch nicht befehlshabenden<br />

Einzelpersonen gegenüber, son<strong>der</strong>n gegenüber den Gesetzen und Behörden<br />

(Legalität). Legalität wird erzwungen durch bürokratische Behörden<br />

(Polizei, Verwaltung, Gericht), unter die die Befehlsgewalt aufgeteilt ist. Die<br />

Autorität des Beamten ist auf seine Amtskompetenz beschränkt: er<br />

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