09.12.2012 Aufrufe

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

esprochen und entschieden wurden, und die auch als Gericht tagte, bei dem<br />

Strafen anscheinend kaum vorkamen. Kunst, Musik, Literatur und Theaterspiel<br />

spielten eine große Rolle im Leben <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, und man verzichtete bewußt<br />

darauf, diese Gebiete zu Unterrichtsfächern zu machen, um dies Interesse<br />

nicht zu zerstören. Der Unterricht ging betont vom Interesse <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

<strong>aus</strong>.<br />

Die 15 - 18jährigen Jungen und Mädchen lebten (mit Erziehern) in gemischten<br />

Gemeinschaften (Kwuzah) von je 25 - 40 Personen in einem H<strong>aus</strong><br />

kommuneartig zusammen, mit gemeinsamer Wirtschaft und gemeinsamer<br />

H<strong>aus</strong>wirtschaft. Auch hier entschied die Vollversammlung, um Einzelheiten<br />

kümmerten sich spezielle Räte für Kultur, für Wirtschaft, etc., in denen auch<br />

sachverständige Erwachsene mitarbeiteten. Die entlassenen Ehemaligen trafen<br />

sich regelmäßig in Kin<strong>der</strong>dorf wie<strong>der</strong>, viele kehrten nach einem Jahr auf<br />

ein freiwilliges Hilfsjahr als Arbeiter noch einmal zurück.<br />

Die allerersten Kin<strong>der</strong> des Dorfes war die 1927 eingewan<strong>der</strong>te, schon jahrelang<br />

im Kin<strong>der</strong>h<strong>aus</strong> in Kowno / Litauen zusammenlebende Gruppe, die dann<br />

die Kerngruppe des Dorfes wurde.<br />

22.11.2. Das Kin<strong>der</strong>h<strong>aus</strong> in Kowno (Litauen) als Vorläufer<br />

1916 hatte <strong>der</strong> junge Arzt Dr. Siegfried Lehmann im ostjüdischen Viertel<br />

Berlins das Settlement-H<strong>aus</strong> Jüdisches Volksheim für proletarische Jugendliche<br />

mitgegründet. Die programmatische Eröffnungsrede über Judentum und<br />

Sozialismus hielt damals Gustav Landauer.<br />

Etwa 5 Jahre später unternahm Lehmann in Kowno / Litauen (einem Zentrum<br />

des jüdischen Volkstums dort) einen ganz ähnlichen Versuch. Das H<strong>aus</strong><br />

hatte je eine pädagogische, medizinische und soziale Abteilung mit Kin<strong>der</strong>schutzbüro,<br />

Säuglingsfürsorgestelle, Kin<strong>der</strong>küche und Klei<strong>der</strong><strong>aus</strong>gabestelle<br />

für die elternlosen Kriegs- und Pogrom-Waisenkin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Nachkriegszeit.<br />

Dazu gehörte auch das Kin<strong>der</strong>h<strong>aus</strong> für 200 Kin<strong>der</strong> vom ersten Lebensmonat<br />

bis zum reifen Jugendalter, mit angeglie<strong>der</strong>ten <strong>Wer</strong>kstätten und Landwirtschaft.<br />

Lehmann (1926) beschrieb Leben, Arbeit und Pädagogik dort, die<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Waisenkin<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Straßenhorde zur Gemeinschaft, die<br />

schließlich unter Lehmanns Leitung in Palästina siedelte und Ben Shemen<br />

gründete.<br />

Lehmann beschrieb das durch und durch proletarische Selbstverständnis<br />

<strong>der</strong> Jugendlichen, in denen aufgrund früherer schlechter Erfahrungen ein gewaltiger<br />

Haß auf alle Autorität lebte, auf alles, was irgendwie mit <strong>der</strong> herrschenden<br />

Klasse und dem Bürgertum zusammenhing. Und dazu gehörten<br />

auch die (bürgerlichen!) Erzieher, die Religion und <strong>der</strong> Zionismus. All-<br />

602

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!