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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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auch Land-Ferienaufenthalte in <strong>der</strong> abbruchreifen Scheune seines Vetters in<br />

Freeville veranstaltete. 1893 waren es bereits 265 Kin<strong>der</strong>, zumeist ältere,<br />

härtere, delinquentere Slum-Straßenjungen <strong>der</strong> untersten Einwan<strong>der</strong>erschichten.<br />

Mit ihnen hielt George militärische Drills und Manöver ab und erteilte<br />

Unterricht in Patriotismus, Religion, Hygiene, Fleiß und Mittelklassenmoral<br />

182 . Das geson<strong>der</strong>te Mädchenprogramm spielt für die folgende Darstellung<br />

keine Rolle.<br />

Die Jungen begannen bald die Wohltätigkeit offen als ihr gutes Recht einzufor<strong>der</strong>n<br />

und maßen ihre Ferien an <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong> heimgebrachten Kleidungs-<br />

und Lebensmittelspenden. Manche gaben sogar ihre Arbeit auf und<br />

zerstörten ihre Spenden, um mehr und bessere Spenden zu erhalten. George<br />

war über diesen Erfolg seiner Arbeit entsetzt.<br />

Um ihnen die benötigten Güter zu geben, ohne sie zu Bettlern zu erziehen,<br />

ließ George sie im 1894er Ferienlager ihre Klei<strong>der</strong>spenden beim Bau einer<br />

Lagerstraße selbst erarbeiten. Nothing without labor, ohne Arbeit gibt's<br />

<strong>nichts</strong>, wurde seine Parole. Trotz <strong>der</strong> anfänglich wilden Proteste zeigte sich<br />

bald <strong>der</strong> Erfolg: Die hart erarbeitete Kleidung wurde gepflegt und nicht mehr<br />

zerstört.<br />

Allerdings wurden jetzt die wertvoll gewordenen Kleidungsstücke manchmal<br />

gestohlen.<br />

Ansonsten blieb es bei Rowdytum, Zerstörung sowie Überfällen auf Obstgärten<br />

und Hühnerställe <strong>der</strong> benachbarten Bauern. Zu seinem Ärger mußte<br />

George ihnen noch Schadensersatz zahlen. Mit seiner harten Box-F<strong>aus</strong>t und<br />

allmorgendlich Dutzenden öffentlicher Prügelstrafen für die Untaten des<br />

Vortages bemühte er sich vergeblich um Ordnung. Auch das versuchsweise<br />

Herumdrehen <strong>der</strong> Bestrafung - <strong>der</strong> Übeltäter mußte George schlagen - half<br />

nicht viel, die erhoffte moralische Wirkung blieb <strong>aus</strong>.<br />

Der Diebstahl ihrer wertvollen Kleidung allerdings empörte die Jungen. Sie<br />

for<strong>der</strong>ten von George bestimmte Maßnahmen zum Schutz ihres Eigentums.<br />

Diese selbst vorgeschlagenen Regeln erwiesen sich als die einzig wirklich befolgten<br />

und durchsetzbaren. Das Gemeinwohl war in diesem Fall offenbar<br />

identisch mit dem klar erkannten egoistischen Eigeninteresse aller Eigentümer.<br />

Ein primitives Rechtsbewußtsein wuchs. Nach einigen Tagen ließ George<br />

bei <strong>der</strong> allmorgendlichen Aburteilung die versammelten Jungen als Jury<br />

darüber abstimmen, ob zwei Kameraden schuldig seien, einen Obstgarten<br />

geplün<strong>der</strong>t zu haben. Zur völligen Überraschung <strong>der</strong> beiden Übeltäter<br />

182 Smith (1937) betonte Georges starkes religiöses Sendungsbewußtsein und Engagement<br />

als religiöser Mahner, Sonntagsschulleiter und Anführer <strong>der</strong> örtlichen Erweckungsbewegung<br />

Christian Endeavour als bedeutende Motivation für Georges Slum-Arbeit. Die<br />

Sommerlager waren stets national und religiös missionarisch geprägt, George unternahm<br />

von hier <strong>aus</strong> Predigtreisen mit einigen Jugendlichen. Seine Gottesdienste und Predigten<br />

erlangten in <strong>der</strong> Gegend einige Berühmtheit.<br />

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