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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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adikaler Ansatz <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>aufzucht, son<strong>der</strong>n während <strong>der</strong> politischen antiautoritären<br />

Bewegung verkaufsför<strong>der</strong>nd mit Theorie und Praxis <strong>der</strong> antiautoritären<br />

Erziehung zu übersetzen. Ein Buch übrigens, das gar nicht von Neill<br />

stammt, son<strong>der</strong>n von Neills amerikanischem Verleger Harold Hart, <strong>der</strong> es<br />

kunstvoll <strong>aus</strong> bewußt einseitig <strong>aus</strong>gewählten Bruchstücken von vier damals<br />

bereits veralteten Büchern Neills kombinierte 217 . Der Verkaufserfolg des<br />

Buches rettete Summerhill vor dem damals unmittelbar bevorstehenden finanziellen<br />

Bankrott.<br />

Der Begriff antiautoritär scheint mir vom politischen Anarchismus, Syndikalismus<br />

und Rätekommunismus <strong>aus</strong> in die Pädagogik gekommen zu sein, vor<br />

allem über Alice und Otto Rühle, 218 die ihn schon Mitte <strong>der</strong> 1920er Jahre<br />

verwendeten (z. B. in: Jena 1925). Eine Herleitung des Begriffs <strong>aus</strong> <strong>der</strong><br />

Kommune 2 greift zweifellos zu kurz 219 .<br />

16.1.2. Zu Otto Rühle<br />

Otto Rühle weist überhaupt starke Ähnlichkeiten mit Neill auf 220 und die<br />

Rühles dürften Neill politisch, psychologisch und pädagogisch sehr nahe<br />

217 Dies wird im Vorwort zur englischen Ausgabe erläutert. Dieses Vorwort ist <strong>der</strong> einzige<br />

nicht ins deutsche Buch übernommene Teil. Die ursprünglichen vier Bücher sind: The<br />

Problem Child (1926) The Problem Parent (1932) That Dreadful School (1937), The<br />

Free Child (1953). Zur einseitigen Auswahl veralteter Texte siehe Kapitel 18.7.1.<br />

218 Otto und Alice Rühle waren von <strong>der</strong> antiautoritären Studentenbewegung als bedeutende<br />

politische und pädagogische Denker und Autoren wie<strong>der</strong>entdeckt worden. Viele ihrer<br />

Schriften wurden wie<strong>der</strong> aufgelegt, teilweise auch als Raubdrucke.<br />

219 Claßen (1980: 657 ff.) glaubt, <strong>der</strong> Begriff antiautoritär sei 1967 in <strong>der</strong> Kommune 2 entstanden.<br />

Er erwähnt aber als Vorläufer den 1873 von Friedrich Engels (wohl für die Anarchisten)<br />

verwendeten Begriff Antiautoritarier (MEW 18: 305 - 308), was bestens zur<br />

Übernahme des ursprünglich politischen Begriffs in die anarchistischen Pädagogik passt.<br />

Classens durchschaut die Begriffsgeschichte - von den Anarchisten zur (anarchistisch<br />

geprägten) Neuen Linken - jedoch nicht und sieht in <strong>der</strong> teilweisen Begriffsübernahme<br />

durch die (auf die Neue Linke folgende Partei-orthodoxere) Alte Linke nur eine böswillige<br />

Täuschung.<br />

220 Beide waren <strong>aus</strong> kleinen Verhältnissen stammende Volksschullehrer, freiheitliche Sozialisten,<br />

international denkende (und mit Auslän<strong>der</strong>innen verheiratete) Kriegsgegner, die<br />

sich stark mit Tiefenpsychologie befassten und - mit Schwerpunkt radikal freiheitlicher<br />

Kin<strong>der</strong>erziehung - sich als Her<strong>aus</strong>geber pädagogischer Zeitschriften und als pädagogische<br />

Schriftsteller betätigten.<br />

Über Otto Rühles eigene Heimerziehungspraxis ist kaum etwas bekannt. Nachdem das<br />

Ehepaar Rühle 1917 nach Mulda im Erzgebirge gezogen war, baute es 1918 - 1920 im<br />

Waldh<strong>aus</strong> in Mulda ein Kin<strong>der</strong>erholungsheim <strong>der</strong> I. A. H. auf, über das lei<strong>der</strong> <strong>nichts</strong><br />

weiteres bekannt ist. Es wäre interessant, ob, wieweit und wie Rühle selbst hier eine antiautoritäre<br />

Erziehung praktizierte.<br />

„Im Erzgebirge baute Rühle 1918 mit finanzieller Unterstützung eines Mühlenbesitzers<br />

(er stand zu den Linken in <strong>der</strong> SPD) im Waldh<strong>aus</strong> in Mulda gemeinsam mit seiner Frau<br />

ein Kin<strong>der</strong>erholungsheim auf. In ihm fanden vor allem Kin<strong>der</strong> inhaftierter Genossen<br />

durch die<br />

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