09.12.2012 Aufrufe

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

das (zur Lebensmittelproduktion benötigte!) einzige Pferdegeschirr <strong>der</strong> Kolonie,<br />

das sie in <strong>der</strong> Stadt verkauften. Makarenko versuchte vergeblich, in ihnen<br />

ein gemeinsames Interesse am Schutz des gemeinsamen Kolonieeigentums<br />

zu wecken. Die Jugendlichen fühlten sich nicht als Eigentümer, sahen<br />

den Diebstahl als Sport an und empfahlen Makarenko bewaffnete Wächter.<br />

Makarenko stand nun selbst nachts mit seinem Revolver Wache im Hof.<br />

„Die Wächter muß man bezahlen, und arm sind wir ohnehin. Die Hauptsache aber ist:<br />

Ihr müsst die Herren im H<strong>aus</strong> sein.“ (Makarenko 1970: 45)<br />

„Wütend schrie ich in den Schlafsaal: ‚Was seid ihr eigentlich? Menschen o<strong>der</strong> ...‘<br />

‚Wir sind dufte Jungens!‘ ertönte es von einem <strong>der</strong> hinteren Betten. ‚Ganoven sind<br />

wir!‘ ‚Ihr? Ganoven wollt ihr sein? Ganz gewöhnliche Frischlinge seid ihr, bestehlt<br />

euch selbst. Jetzt sitzt ihr da ohne Speck. Der Teufel soll euch holen!“ (Makarenko<br />

1970: 43, Auslassung im Original)<br />

Als Makarenko im Februar 1921 ein großer Geldbetrag gestohlen wurde,<br />

sorgten die Jungen bereits für die anonyme Rückgabe, weigerten sich aber,<br />

den Dieb zu nennen.<br />

Im Februar 1921 trafen zwei weitere Erzieher sowie 15 Kin<strong>der</strong> und eine<br />

ältere, bald sehr beliebte Wirtschafterin ein, die in <strong>der</strong> armen Kolonie <strong>nichts</strong><br />

zu bewirtschaften vorfand und sehr bald wie<strong>der</strong> abreiste. Die Jungen, die ihr<br />

bereitwilligst beim Packen halfen, raubten sie heimlich völlig <strong>aus</strong>. Nach langem<br />

Herumschreien konnte Makarenko den Anstifter ermitteln: einen älteren<br />

Jugendlichen, vor dem sich alle fürchteten und den sie auch darum nicht hatten<br />

verraten wollten.<br />

„Endlich hatte ich das Übel an <strong>der</strong> Wurzel gefasst! Ich brachte Burun vor das Volksgericht,<br />

das erste Gericht unserer Kolonie. Im Schlafsaal saßen auf Betten und Tischen<br />

die zerlumpten, ungewaschenen Richter.“ (Makarenko 1970: 46)<br />

Makarenko geißelte in anklagenden Worten den scheußlich gemeinen und<br />

feigen Raub an <strong>der</strong> wehrlosen, liebevollen alten Frau, die ihnen doch so<br />

freundlich geholfen hatte. Die Jungen - einschließlich <strong>der</strong> Mittäter - waren<br />

empört über Burun, setzten ihm kräftig zu und for<strong>der</strong>ten seine Bestrafung:<br />

„Durch deine Schuld haben wir gehungert!“ (Makarenko 1970: 47). Nach anfänglichem<br />

Drohen und Leugnen gestand er alle Diebstähle und bat Makarenko,<br />

ihn zu bestrafen.<br />

„Ich wußte nicht, was ich mit ihm machen sollte. Er war in die Kolonie gekommen,<br />

weil er einer Diebesbande angehörte, von <strong>der</strong> ein großer Teil, die Erwachsenen, erschossen<br />

worden war; er war siebzehn Jahre alt.<br />

Schweigend stand Burun an <strong>der</strong> Tür. Ich saß am Tisch und mußte mich zusammennehmen,<br />

um nicht einen schweren Gegenstand nach ihm zu werfen und so die Unterhaltung<br />

zu beenden.<br />

500

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!