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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Selbstregierung wurde hier nicht als effektive, geordnete, routinemäßige<br />

Verwaltung und Entscheidungsproduktion verstanden, son<strong>der</strong>n als Teil des<br />

Erfahrungslernens, <strong>der</strong> persönlichen und gemeinschaftlichen (lebenslangen)<br />

Selbstbestimmung.<br />

Arbeit, große Aufgaben und Probleme, Streitigkeiten und Zwischenfälle<br />

und Konflikte gab es genug, und Lanes (fast) jedes Experiment ermutigende<br />

Form des Erfahrungslernens sorgte für weitere. Ständig ging irgend etwas<br />

schief, ständig gab es neuen Stoff für hitzige Diskussionen und Entscheidungen.<br />

Notfalls warf Lane ein neues Problem auf, wies auf unbeachtete<br />

Schwierigkeiten hin und sorgte erneut für Wirbel und Erregung.<br />

Gelegentlich bemühte Lane sich, den Jugendlichen klarzumachen, daß bestimmte<br />

von ihnen beschlossene Gesetze, wie die sehr scharfen Gesetze gegen<br />

das Rauchen, gar nicht ihrem wirklichen Willen entsprachen und deshalb besser<br />

gemil<strong>der</strong>t würden.<br />

An den Gesetzen, die zum täglichen Abendschulbesuch (und sonntäglichen<br />

Kirchenbesuch) verpflichten, läßt sich Lanes Vorgehen zeigen.<br />

Die Jugendlichen waren, sicher durch Lanes Einfluß, zu <strong>der</strong> Auffassung<br />

gelangt, daß Lernen und Religion ihnen gut täten. Allerdings hatten sie beides<br />

in ihrem bisherigen Leben als deutlich langweilig und unangenehm erfahren<br />

und waren durch<strong>aus</strong> nicht freiwillig zum Kirch- und Schulbesuch bereit.<br />

Durch die selbstbeschlossenen Pflichtgesetze ließ sich <strong>der</strong> Gegensatz überbrücken.<br />

Die jugendlichen Bürger sorgten sodann für die ihrer Ansicht nach<br />

wesentlichen Bestandteile schulischen Lernens: mehrere frontal zu Wandtafel<br />

und Kathe<strong>der</strong> aufgestellte Bankreihen, eine Schulglocke sowie Anwesenheitszwang.<br />

Was sie so lernen wollten, wußten sie nicht. Lane half ihnen, sich ihrer<br />

wirklichen Wünsche bewußt zu werden, und nach einer Weile wurde die<br />

Schule abgeschafft zugunsten freiwilliger und gutbesuchter Kurse in Kochen,<br />

Schnei<strong>der</strong>n, Schuhreparatur, Eurhythmie 205 (durch Studenten), Mathematik,<br />

Erziehung und Kin<strong>der</strong>pflege sowie über Böden und Dünger.<br />

Lane ging übrigens davon <strong>aus</strong>, daß man nur das gut lernt, wofür man sich<br />

stärker interessiert, und daß ein Lehrer von seinem Gegenstand vor allem begeistert<br />

sein muß, um diese Begeisterung und Motivation auf seine Schüler zu<br />

übertragen. Genaue Kenntnisse sind dann weniger wichtig, man kann sie gemeinsam<br />

und gleichzeitig mit den Schülern erwerben.<br />

205 Mit Eurhythmie ist die von Dalcroze entwickelte Rhythmische Gymnastik gemeint, die im<br />

Englischen allgemein als eurhythmics bezeichnet wird, und nicht die erst später von Anthroposophen<br />

dar<strong>aus</strong> entwickelte Tanzform. Rhythmische Gymnastik ist kein Turnen,<br />

son<strong>der</strong>n eine stark auf Befreiung <strong>der</strong> Gefühle <strong>aus</strong>gerichtete (quasi therapeutische) Methode.<br />

Lanes berühmtester Nachfolger A. S. Neill hat - sicher nicht ganz zufällig - seine<br />

Summerhill-Schule als Teil <strong>der</strong> Dresdner Dalcroze-Rhythmikschule gegründet (vgl. Kapitel<br />

17).<br />

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