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Auswahlverfahren anzuwenden. Ein großer Teil der Künstler fordert eine aktivere<br />
und mutigere Entscheidungsstruktur.<br />
„Es kann kein objektives Auswahlverfahren geben, nur den Versuch<br />
einerseits durch Streuung und andererseits durch Schwerpunktsetzung, ein<br />
halbwegs gerechtes und sinnvolles Vergabemodell zu entwickeln. Das Beirat-<br />
Kuratorenmodell wäre eine Möglichkeit, soferne es keine ideologische, ästhetische<br />
Gleichschaltung gibt...“ 22<br />
Ein weiterer wesentlicher Aspekt der kulturellen Entwicklung der Kunst in den 90er<br />
Jahren liegt im Bereich der Rezeption und Theorie. Auch hier zeichnet sich eine<br />
deutliche Verschiebung der Wertigkeiten ab. Die zunehmende Bedeutung des<br />
Diskurses stellt die herkömmliche Rollenverteilung von Kunstproduktion und -<br />
rezeption verstärkt in Frage.<br />
Ein Statement wie etwa „Ich fördere nicht maßgeblich die Produktion von Kunst,<br />
sondern versuche, Informationskanäle zu öffnen“ von der Bundeskuratorin Lioba<br />
Reddeker spricht deutlich die grundlegenden Bedürfnisse einer neuen<br />
Kunstproduktion an. Mit dem Kunstraum, dem Depot und der basis, mit der<br />
jeweiligen Infrastruktur und ihren regelmäßigen Veranstaltungen, hatten gerade die<br />
Kuratoren einen wesentlichen Beitrag für eine theoretische Infrastruktur jenseits der<br />
Kunstakademien geschaffen.<br />
Auch die von ihnen geförderten Publikationen und Zeitschriften, wie etwa der<br />
springer 23 und in dessen weiterer Folge die springerin, waren wichtige Plattformen<br />
neuer Kunstformen und theoretischer Ansätze der österreichischen Kunstszene der<br />
Neunziger.<br />
Der Bundeskunstkurator Wolfgang Zinggl nutzte seine Position zudem für deutliche<br />
Kritik an der Kunstvermittlung der Kunsthochschulen Österreichs und brachte dazu<br />
einen gewagten und stark kritisierten Vorschlag ein: die Fusionierung der beiden<br />
Wiener Kunsthochschulen, der Akademie der bildenden Künste und der<br />
Hochschule für angewandte Kunst, die – laut seinen Schätzungen – Einsparungen<br />
jenseits der 100-Millionen-Schilling-Marke mit sich brächte:<br />
Zinggl, der sich als Lehrbeauftragter mehrfach darüber wunderte, dass die<br />
Studenten nicht wussten, was Beuys wollte, ärgert sich aber nicht nur über<br />
doppelte Verwaltungsstrukturen, sondern auch über einen Lehrplan, der noch aus<br />
dem letzten Jahrhundert herrühre: „Wir haben 13 Malereiklassen mit einem<br />
jährlichen Output von rund 80 Malern. Weil aber die Malerei nicht mehr das<br />
vorrangige Medium der Kunst ist, sind natürlich sehr viele von den Absolventen<br />
22 ebenda, Künstlerzitat, ohne Namensnennung, S39<br />
23 Anmerkung: Der springer entstand auf Anregung des Bundeskunstkurators Markus Brüderlin<br />
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