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den 60er Jahren wurde er rasch zu einer Vaterfigur der Geistesgeschichte. Das<br />
Künstlerkollektiv daedalus - rund um den früheren Theatermann Gerhard Fischer -<br />
beschäftigte sich – in der mit dem Begriff Mnemosyne ( Erinnerung )<br />
überschriebenen Ausstellung – mit ihm. Ähnlich wie das letzte der beschriebenen<br />
Projekte handelte es sich auch bei „Aby Warburg“ nicht um eine konventionelle<br />
Ausstellung aus dem Bereich der bildenden Kunst. Die in den Räumen der<br />
Akademie der bildenden Künste inszenierte Schau bewegte sich in einem Cross-<br />
over-Bereich zwischen wissenschaftlicher Forschung, Theater und konventioneller<br />
Ausstellungsmuster:<br />
Mit Theater hat die Ausstellung unbenommenermaßen viel zu tun. daedalus<br />
hat mit den heiligen Hallen der Akademie gearbeitet und deren klassizistische<br />
Architektur zu einer Bühne der Warburgschen Denken- Räume gemacht. Da gibt es<br />
in der Aula die vollständige Rekonstruktion einer verschollen geglaubten, erst in<br />
den letzten Jahren wiederentdeckten Bildersammlung zur Geschichte von<br />
Sternglaube und Sternkunde. Sie wird nach über 60 Jahren wieder an ihren<br />
eigentlichen Bestimmungsort, das Hamburger Planetarium, zurückkehren. Ein<br />
Abschnitt widmet sich der Tätigkeit Fritz Saxls, des Wiener Mitarbeiters von<br />
Warburg. Ein Modell der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek erinnert an jenes<br />
Institut, das aus Warburgs privater Handbibliothek hervorging, zu einem<br />
hochtechnisierten und professionellen Laboratorium des Denkens mit 300.000<br />
Bänden wurde. Das Herzstück der Ausstellung sind die 63 Tafeln des Mnemosyne-<br />
Atlas V jener Bilder-Sammlung, in denen Warburg zum Beispiel Darstellung von<br />
Trauer oder Pathos durch die Kunst- und Kulturgeschichte von vier Jahrtausenden<br />
verfolgt. In einer Zeit und bei einem Publikum, das Ausstellungsereignisse vor<br />
allem als Spektakel wahrnehmen möchte, ist die von daedalus gewählte<br />
Präsentationsform der wahrlichen Inszenierung sicher die gelungenste aller<br />
Möglichkeiten. Zur Überzeugungskraft der Darstellung trägt die Raumgestaltung<br />
des französischen Künstlerpaares Anne und Patrick Poirier wesentlich bei. 106<br />
c) Die Beredsamkeit des Leibes<br />
Wie beim daedalus-Projekt "Aby Warburg" lag auch der Projektunterstützung<br />
"Die Beredsamkeit des Körpers" eine lange Vorbereitungszeit und eine<br />
entsprechend breite wissenschaftliche Basis zu Grunde. Bereits 1987 war<br />
die Kunsthistorikerin Ilsebill Barta an den damaligen Albertina-Direktor<br />
Konrad Oberhuber mit dem Vorschlag herangetreten, eine Ausstellung über<br />
106 Hofleitner J., „Das Abenteuer des Denkens“, Kurier, Wien, 27.1.1993<br />
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