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Pfister - Alte Eidgenossen - Textblock - Dillum

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180<br />

Die Vergiftung der Kinder des letzten Zähringers<br />

Die angebliche Vergiftung der beiden männlichen Erben des letzten Zähringers<br />

durch neidische Adelige ist eine wohlkalkulierte Episode der Geschichtserfindung<br />

und braucht nicht länger behandelt zu werden.<br />

Die farbenprächtige Abbildung dieser Episode in der Spiezer Chronik aber verdient<br />

eine besondere Betrachtung.<br />

Man sieht die beiden Zähringer Kinder vergiftet am Boden liegen. Die geöffneten<br />

Röcke zeigen sie als Vertreter des männlichen Geschlechts. Neben den toten Kindern<br />

liegen die verschütteten Kelche, aus denen Schlangen züngeln. - Ein Freund<br />

des Herzogs zeigt auf die Leichen und blickt gleichzeitig dem Giftmischer in die Augen.<br />

Dieser hält noch den Mörser in der Hand, mit welchem er die tödlichen Substanzen<br />

gemischt hat.<br />

Neben zwei weiteren Männern erkennt man hinter einem reich gedeckten runden<br />

Tisch zwei elegante Damen. Die eine – offenbar die Zofe – schaut dem schrecklichen<br />

Geschehen gelangweilt zu.<br />

Besonders interessant ist links neben der Dienerin die Herzogin von Zähringen – es<br />

muß Clementia von Auxonne sein – die Gemahlin Berchtolds V. Diese ist entsetzt<br />

aufgesprungen und verwirft in theatralischer Pose die Hände über ihrem Kopf. Das<br />

kostbare grüne Gewand verrät den vornehmen Status der Frau. – Mit ihrem Ausschnitt<br />

zeigt sie sogar eine erotische Ausstrahlung.<br />

Der Künstler hat die fürchterliche Geschichte von der Vergiftung der Erben des letzten<br />

Herzogs von Zähringen meisterlich in einem Bild zusammengefaßt – und<br />

scheint gleichzeitig die ganze Episode lächerlich zu machen.<br />

Die Illustration wirkt bei längerem Zusehen wie eine Karikatur. Man meint, der<br />

Zeichner wollte sich insgeheim Luft machen über diesen unsäglichen Wust von historischen<br />

Märchen, Sagen und Legenden, den er ausschmücken mußte.<br />

Der Spiezer Schilling – richtig Justingers illustrierte Berner Chronik – kann aus stilkritischen<br />

Gründen erst nach der Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden sein.<br />

Ein Nachtrag zur erfundenen Zähringer-Geschichte sei erlaubt:<br />

Das Geschlecht soll „1218“ ausgestorben sein. – Aber bereits „1208“ hätten die verräterischen<br />

Adeligen einen Anschlag auf Herzog Berchtold verübt: Im Wallis warfen<br />

sie Felsbrocken auf ihn. Nur mit knapper Not habe sich der Zähringer retten können<br />

(Berchtoldus a nobilitate proditus vix evasit per praerupta Valesiae saxa). (Chronologia<br />

Helvetica, 25).<br />

Justinger wollte deshalb Berns Handfeste zuerst „1208“ ansetzen.

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