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Pfister - Alte Eidgenossen - Textblock - Dillum

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Und diese Zeit unterschreitet nicht das zweite Viertel oder sogar das<br />

zweite Drittel des 18. Jahrhunderts.<br />

Das muß so sein. Ein Schreiber kann unmöglich über längere Abschnitte<br />

seine gewohnte Schreibweise verleugnen. „Die mittelalterlichen“<br />

Schriften haben also nichts mit einem Zeitablauf zu tun, sondern<br />

sind in Fälschungsabsicht hergestellte Kunstprodukte.<br />

Vielleicht die berühmteste „karolingische“ Handschrift in der Schweiz<br />

ist der sogenannte Abrogans, der in der Stiftsbibliothek Sankt Gallen<br />

aufbewahrt wird. Es ist dies ein Wörterbuch, das lateinische Ausdrücke<br />

ins Althochdeutsche überträgt. Das Werk gilt als Kostbarkeit<br />

für die Germanisten, die sich daran laben, daß sie hier das älteste<br />

deutsche Sprachzeugnis, „ etwa 1200 Jahre alt“, vor sich haben. –<br />

Aber leider werden wir die Sprachforscher enttäuschen müssen: Die<br />

„karolingische“ Schrift wurde erst um vielleicht 1750 erfunden.<br />

Und überhaupt ist die Geschichte des Klosters Sankt Gallen, wie bereits<br />

erwähnt, die eines 800-jährigen Verfalls: Im „Hochmittelalter“<br />

wurde noch viel geschrieben, im „Spätmittelalter“ schon weniger.<br />

In den beiden letzten Jahrhunderten seiner Existenz – bis zur Aufhebung<br />

während der Napoleonischen Zeit – leisteten die Mönche überhaupt<br />

nichts mehr Produktives: Von einer qualitativ hochstehenden<br />

und breit abgestützten St. Galler Buchkunst kann im 17. oder 18.<br />

Jahrhundert nicht mehr gesprochen werden (Cimelia, 10).<br />

Der Sachverhalt ist umgekehrt: Die dortigen Handschriften unterschreiten<br />

in keinem Fall die historische Zeitbarriere des entwickelten<br />

18. Jahrhunderts.<br />

Auch wenn man nichts von der jungen Entstehung der Handschriften<br />

wüßte, so müßte der gesunde Menschenverstand dagegen sprechen,<br />

tausend- bis tausendfünfhundertjährige Handschriften anzunehmen.<br />

Wie hätte man in alter Zeit solche Schriften sicher und über riesig<br />

lange Zeiträume aufbewahrt? Die Manuskripte hätten ständig geschützt<br />

werden müssen vor Feuer, Wasser, Diebstahl, Tierfraß, organischer<br />

Zersetzung – und dies ohne die modernen Techniken der<br />

Konservierung.<br />

In alten Chroniken wird ständig von verheerenden Stadtbränden berichtet.<br />

- Merkwürdigerweise haben diese der Textüberlieferung<br />

überhaupt nicht geschadet. Es gibt nirgends Beispiele von angebrannten<br />

oder halbverbrannten Pergamenten.

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