14.02.2013 Aufrufe

Pfister - Alte Eidgenossen - Textblock - Dillum

Pfister - Alte Eidgenossen - Textblock - Dillum

Pfister - Alte Eidgenossen - Textblock - Dillum

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

335<br />

Die Geschichte von dem Bauern im Melchi, dem der Landvogt von<br />

Sarnen ungerechterweise ein paar Ochsen stiehlt, spiele klar auf die<br />

Abschiedsrede des alten Samuel vor Israel an:<br />

Wessen Rind oder wessen Esel habe ich genommen? Wen habe ich<br />

bedrückt und wem Gewalt angetan? (1. Samuel, 12, 3).<br />

Die Nötigung der Frau aus Altsellen entspreche der Geschichte von<br />

der Schändung der Lucretia, wie sie Livius (I, 57 ff.) schildert.<br />

Hier kann man ergänzen, daß schon die Aufschlüsselung des Namens<br />

den Bezug schafft. ALTSELLEN = LTSLM und LUCRETIAM =<br />

LCRTM ergeben eine ähnliche Konsonantenreihe.<br />

Sowohl Tell wie der alte Bauer im Melchi haben je einen Sohn, was<br />

nach Koller nicht eine individuelle, sondern eine typisierte Vater-<br />

Sohn-Beziehung wiedergibt.<br />

Das Stauffacher Paar verkörpere das humanistische Ideal eines einträglichen<br />

ehelichen und häuslichen Lebens.<br />

Das Motiv des Burgenbruchs hat nach Koller folgenden Hintergrund<br />

im Geist der Renaissance: Die Burg sei zuerst Zufluchtsort für die<br />

Bevölkerung gewesen, von den Tyrannen aber usurpiert und zur<br />

Stätte des Lasters und des Verbrechens gemacht worden.<br />

Als Fazit ergibt sich: Wo man hingreift, entpuppen sich die angeblich<br />

volkstümlichen Motive als Elemente eines Diskurses auf gelehrter<br />

oder gebildeter Ebene, die hier sehr gekonnt adaptiert worden sind<br />

(Koller, 251).<br />

Die Schwächen in Kollers Beweisführung sollen nicht verschwiegen<br />

werden.<br />

Das Weiße Buch sei also eine mit humanistischen Motiven durchsetzte<br />

Geschichtsdichtung der Renaissance.<br />

Da Koller jedoch die traditionelle Chronologie nicht in Frage stellt,<br />

bemüht er zur Erklärung der Einflüsse die absurde allgemeine Geschichte.<br />

Der Humanismus sei über den Gotthardpaß gekommen. - Auf dem<br />

Konzil von Konstanz habe der Humanist Poggio Bracciolini die neue<br />

Geistesrichtung in der späteren Schweiz verbreitet.<br />

Und auch Justinger habe schon humanistische Motive aufgenommen,<br />

indem er den Mord an Ludwig von Orléans durch Johann Ohnefurcht<br />

„1407“ als gerechten Tyrannenmord dargestellt habe.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!