Layout 1 - Landesverwaltung Liechtenstein
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56<br />
Fransenfledermaus (Myotis nattereri)<br />
Ordnung: Fledermäuse (Chiroptera)<br />
Familie: Glattnasen (Vespertilionidae)<br />
Merkmale<br />
Foto: René Güttinger<br />
Der zweireihige, fransenartige Borstensaum am Hinterrand<br />
der Schwanzflughaut sowie ein s-förmig geschwungener<br />
Sporn (Knochenspange am Fussgelenk, welche die Schwanzflughaut<br />
aufspannt) sind typisch für die Fransenfledermaus.<br />
Anhand dieser Merkmale kann sie bei uns mit keiner anderen<br />
Myotis-Art verwechselt werden. Die Ohren sind relativ<br />
lang und überragen, wenn sie nach vorne gefaltet werden,<br />
die Schnauze knapp. Meist ist die Basis der braungrauen<br />
Ohren schwächer pigmentiert und rötlich gefärbt. Die<br />
Schnauze ist schmal und ebenfalls von hellroter Farbe.<br />
Mit einem Gewicht von sieben bis zehn Gramm und einer<br />
Flügelspannweite von 25 bis 30 cm gehört die Fransenfledermaus<br />
zu den mittelgrossen Arten. Das relativ dichte Fell<br />
ist auf dem Rücken braun bis braungrau, am farblich deutlich<br />
abgesetzten Bauch weiss bis grauweiss. Die über einen<br />
grossen Frequenzbereich absinkenden Ortungsrufe erlauben<br />
Spezialisten meist eine sichere Artbestimmung.<br />
Biologie<br />
In Mitteleuropa zählen Wochenstubenkolonien meist wenige<br />
Dutzend, gelegentlich aber über 100 Tiere. Diese sind<br />
keine reinen Weibchenverbände und beherbergen regelmässig<br />
auch einzelne Männchen. Typisch für die Fransenfledermaus<br />
sind die ständigen Quartierwechsel im Abstand weniger<br />
Tage, bei denen sich die Kolonie immer wieder in<br />
verschieden zusammengesetzte Teilgruppen aufsplittert. In<br />
Gebäuden verweilen die Tiere jeweils über längere Perioden,<br />
wechseln aber ebenfalls regelmässig ihre Hangplätze.<br />
Besonders vor und nach einem frisch erfolgten Quartierwechsel<br />
zeigen die Fransenfledermäuse frühmorgens ein<br />
auffälliges Schwärmen vor dem Quartier. Ein ausgeprägtes<br />
Massen-Schwärmverhalten findet im September und Oktober<br />
an Höhlen statt. Möglicherweise ist dieses Phänomen<br />
auch im Alpenrheintal präsent. Zumindest lassen einzelne,<br />
im Herbst an Höhleneingängen abgefangene Männchen aus<br />
Vorarlberg und der Region Werdenberg darauf schliessen.<br />
Diese herbstlichen Schwärmquartiere werden wie die Win-<br />
terquartiere auch zur Paarung genutzt. Die Fransenfledermaus<br />
sucht ihre Beute nahe an der Vegetation. Ein langsamer<br />
Flug, hohe Manövrierfähigkeit sowie die Fähigkeit zum<br />
Stillstehen in der Luft (Rüttelflug) ermöglichen das Ablesen<br />
der Beutetiere von Blättern, vom Wiesenboden oder der<br />
Decke von Viehställen. Darüber hinaus besitzt die Fransenfledermaus<br />
ein hochspezialisiertes Echoortungssystem zum<br />
Erkennen von Beute auf einem Substrat. In Wiesen landet<br />
die Fransenfledermaus zum Fang der Beute auch auf dem<br />
Boden und nähert sich dieser zu Fuss. Der Beuteerwerb erfolgt<br />
gelegentlich auch im freien Luftraum. Oftmals setzt<br />
die Fransenfledermaus beim Beutefang ihre Schwanzflughaut<br />
als Kescher ein. Es wird vermutet, dass dabei die Fransen<br />
am Hinterrand der Schwanzflughaut als Tastorgane<br />
dienen könnten. Nicht fliegende Beutetiere wie Spinnen,<br />
Weberknechte und tagaktive Fliegen dominieren die Nahrung.<br />
Fallweise sind im Speiseplan auch Käfer, Schmetterlinge,<br />
Hundertfüsser, Asseln sowie Köcher- und Steinfliegen<br />
vertreten.<br />
Jungtiere kommen als Einzelkinder Anfang Juni bis Anfang<br />
Juli zur Welt und sind bereits nach vier Wochen selbstständig.<br />
Weibchen werden bereits im ersten Herbst geschlechtsreif.<br />
Paarungen finden im Herbst in sogenannten Schwärmquartieren<br />
sowie im Winterquartier statt. Das Höchstalter<br />
wird mit 21,5 Jahren angegeben.<br />
Auf ihren saisonalen Wanderungen verhält sich die Fransenfledermaus<br />
relativ ortstreu. So betragen die Distanzen zwischen<br />
Sommer-, herbstlichen Schwärm- und Winterquartieren<br />
in der Regel meist weniger als 60 km. Wanderungen<br />
über grössere Distanzen sind jedoch möglich.<br />
Verbreitung<br />
Die Fransenfledermaus ist in Europa weit verbreitet, wohl<br />
aber nirgends häufig. Ihr Areal reicht von den Britischen Inseln<br />
und Südskandinavien bis zum Mittelmeerraum sowie<br />
ostwärts bis nach Turkmenistan am Kaspischen Meer. Im Alpenrheintal<br />
und seinen Seitentälern sind bis anhin nur einzelne<br />
Quartiere und Tierfunde bekannt geworden. Die<br />
Quartiernachweise beschränken sich im Bündnerischen Vorderrheintal<br />
auf zwei Wochenstuben (MÜLLER et al. 2010), im<br />
Abb. 70 Der s-förmige Sporn am Hinterrand der Schwanzflughaut<br />
macht die Fransenfledermaus unverkennbar.<br />
(Foto: René Güttinger)