Layout 1 - Landesverwaltung Liechtenstein
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Zweifarbenfledermaus (Vespertilio murinus)<br />
Ordnung: Fledermäuse (Chiroptera)<br />
Familie: Glattnasen (Vespertilionidae)<br />
Merkmale<br />
Foto: René Güttinger<br />
Die Zweifarbenfledermaus ist eine unserer besonders kontrastreich<br />
gezeichneten Fledermausarten. Die dunklen,<br />
braunschwarzen Hautpartien am Kopf und an den Flughäuten<br />
kontrastieren auffallend mit der weisslichen Unterseite.<br />
Das lange Rückenfell mit der dunklen Haarbasis und den<br />
weisslichen Spitzen lassen die Zweifarbenfledermaus wie<br />
bereift aussehen. Sie ist eine kräftige und mit rund 27 cm<br />
Flügelspanweite mittelgrosse Art mit kurzer, breiter Schnauze.<br />
Die Ohren sind kurz, breit und stark gerundet. Der breite<br />
Ohrrand läuft in einer Hautfalte bis zum Mundwinkel aus.<br />
Neuere genetische Untersuchungen belegen eine nahe Verwandtschaft<br />
zur Alpenfledermaus (Hypsugo savii), mit der<br />
sie auch die 1-2 freien, die Schwanzflughaut überragenden<br />
Schwanzwirbel gemeinsam hat. Als einzige europäische<br />
Fledermausart besitzen die Weibchen der Zweifarbenfledermaus<br />
beiderseits zwei brustständige Zitzen. Alle vier Zitzen<br />
sind voll funktionstüchtig.<br />
Biologie<br />
Ähnlich wie die Abendsegler besitzt die Zweifarbenfledermaus<br />
lange schmale Flügel, die sie zu schnellem, geradlinigem<br />
Flug bis in grosse Höhen befähigen. Im freien Luftraum<br />
jagt sie opportunistisch vor allem nach meist kleinen<br />
Schwarminsekten wie Zweiflügler (Zuck-, Kriebel- und Stech -<br />
mücken), Eintags- und Köcherfliegen, Netzflügler und kleine<br />
Nachtfalter. Zweifarbenfledermäuse sind ausgesprochene<br />
Spaltenbewohner, die ihr Quartier in Felsspalten oder<br />
auch an Gebäuden finden. Auch Winterquartiere werden<br />
oft in Mauerspalten bezogen. Wenn diese nicht genügend<br />
Frostsicherheit bieten, mag dies der Grund sein, warum im<br />
Winter besonders viele Zweifarbenfledermäuse auf der<br />
Suche nach geeigneteren Winterquartieren in Gebäude einfliegen.<br />
Die Weibchen der Zweifarbenfledermaus bilden<br />
meist nur kleinere Wochenstuben mit 20-50 Individuen. In<br />
der Regel erfolgen Zwillings-, gelegentlich sogar Drillingsgeburten.<br />
Als einzige europäische Fledermausart bildet die<br />
Zweifarbenfledermaus ab Mai grosse Männchenkolonien<br />
von oft über 300 Tieren, die sich nach häufigen Quartierwechseln<br />
ab August wieder auflösen. Während der dann<br />
beginnenden Paarungszeit zeigen die Männchen – oftmals<br />
vor städtischen Hochhäusern – ihre eleganten Balzflüge,<br />
verbunden mit langen, lauten Balzgesängen im hörbaren<br />
Bereich.<br />
Die Zweifarbenfledermaus zählt wie die Rauhautfledermaus<br />
und die Abendsegler zu den ziehenden Arten, wobei die<br />
Zugrichtung offensichtlich viel variabler sein kann als bei<br />
den anderen Arten, die fast ausschliesslich von Nordost nach<br />
Südwest ziehen. Bei der Zweifarbenfledermaus wurden auch<br />
schon Überflüge in Ostwest- oder Nordwest-Südost-Richtung<br />
nach gewiesen. Wie alle ziehenden Arten erreichen<br />
Zweifarbenfledermäuse ein für Fledermausverhältnisse geringes<br />
Höchst alter von rund 12 Jahren.<br />
Verbreitung<br />
Das Areal der Zweifarbenfledermaus beginnt in den Westalpen<br />
und Ostfrankreich und zieht sich von hier Richtung<br />
Osten und Norden. Mit Ausnahme des Balkans, wo sie in<br />
Mittelgriechenland ihre südlichsten Ausläufer besitzt, fehlt<br />
sie im gesamten Mittelmeerraum. Im Norden besiedelt sie<br />
Dänemark und Südskandinavien bis etwa zum 62. Breitengrad.<br />
Ostwärts erstreckt sich ihr Verbreitungsgebiet durch<br />
die sibirische Taiga bis nach China und Korea. Die Fortpflanzungsgebiete<br />
der europäischen Zweifarbenfledermäuse liegen<br />
mehrheitlich im Baltikum und in Russland. In Mittelund<br />
Nordeuropa befinden sich die Überwinterungsgebiete.<br />
Allerdings sind Wochenstuben auch aus Skandinavien,<br />
Deutschland und der Schweiz bekannt.<br />
Hier ist es vor allem das Gebiet um den Neuenburger- und<br />
den Murtensee, wo grössere Fortpflanzungskolonien gefunden<br />
werden konnten (JABERG 1996, SAFI 2006). Grössere<br />
Männchenkolonien finden sich auch im Genferseegebiet, im<br />
Wallis, in der Zentral- und Nordschweiz. Aus Vorarlberg sind<br />
nur wenige Einzelfunde und Detektornachweise bekannt.<br />
Der Osten Österreichs hingegen gilt als wichtiges Überwinterungsgebiet<br />
für osteuropäische Zweifarbenfledermäuse.<br />
In <strong>Liechtenstein</strong> beschränken sich die Nachweise auf wenige<br />
Einzelfunde. Der Erstnachweis gelang am 10. Mai 1992<br />
durch den Fund eines toten Weibchens im Schaaner Rietle<br />
(HOCH 1996). Seither erfolgten weitere acht Funde in Balzers<br />
(1.12.2003), Triesen (12.10.2008, 21.9.2009, 22.12.2010),<br />
Vaduz (20.7.1999, 20.10.2001), Gamprin (22.11.2009) und<br />
Mauren (13.5.2003). Insgesamt sechs Tiere wurden draussen<br />
am Boden oder an der Hauswand hängend gefunden und<br />
drei hatten sich in Innenräume verirrt. Zweimal war die<br />
Pfarrkirche Vaduz Schauplatz des Geschehens, als ein Tier<br />
teilweise mumifiziert in einem abgeschlossenen Raum des<br />
Turmes und eines geschwächt vor dem Haupteingang liegend<br />
gefunden wurde. Fünf Individuen waren Männchen,<br />
drei Weibchen. Mit Ausnahme des teilmumifizierten Tieres<br />
aus der Vaduzer Pfarrkirche, dessen Einflugsdatum nicht bekannt<br />
ist, stammt keiner der Funde aus den Sommermonaten<br />
Juni-August, so dass – trotz der geringen Datenmenge –<br />
vermutet werden darf, dass es sich bei allen Nachweisen um<br />
ziehende oder überwinternde Tiere handelte.