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Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen

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antirassistischen Horizont – am Anfang dieser Arbeit.<br />

Identitätsstiftung und Depolitisierung <strong>der</strong> Erinnerung<br />

Ein weiterer Hintergrund gegenwärtiger <strong>Geschichtsvermittlung</strong>, <strong>der</strong> hier einleitend<br />

noch angesprochen werden soll, ist eine diskursive Verän<strong>der</strong>ung, die sich mit einem<br />

neuen deutschen Selbstbewusstsein nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung für den Gegenstand<br />

des Holocausts und des Nazismus ergeben hat: In den letzten zwanzig Jahren hat sich<br />

in Deutschland und teilweise (wenn auch viel ambivalenter) auch in Österreich ein<br />

neues master narrative in Bezug auf die Shoah durchgesetzt. 21 „Immer mehr Menschen<br />

scheinen die NS-Verbrechen und insbeson<strong>der</strong>e den Holocaust ‚verstanden’ und<br />

‚internalisiert’ zu haben.“ 22 , schreibt die Historikerin Cornelia Siebeck. Teilweise geht<br />

dies sogar so weit, wie Hanno Loewy bereits 2000 kritisierte, dass die Erinnerung an<br />

die Verbrechen des Nazismus in <strong>der</strong> Bundesrepublik dazu gebraucht würden, Identität<br />

zu stiften. So spricht er polemisch von einer „ethnisierenden Form des Nationalismus“<br />

23 : Was zunächst wie ein Schuldbekenntnis aussehe, meint Loewy, sei nichts<br />

an<strong>der</strong>es als eine Identität <strong>der</strong> Ausgrenzung 24 . Astrid Messerschmidt pflichtet Loewy<br />

bei, wenn sie schreibt: „Der Holocaust eignet sich nicht als Grundlage für den Aufbau<br />

einer nationalen Identität. Die Versuche, deutsche Identität auf dieses Ereignis zu<br />

gründen, wie<strong>der</strong>holen nur den ausschließenden Gestus des deutschen Nationalprojekts.“<br />

25 In einem an<strong>der</strong>en Kontext findet sie sogar noch deutlichere Worte:<br />

„In dem Versuch, aus <strong>der</strong> NS-Vergangenheit ein nationales Gut geglückter Erinnerungsarbeit zu<br />

machen, wird Geschichte abgeschlossen und aus <strong>der</strong> Erinnerung verdrängt. Sie wird zu einem Vehikel<br />

nationaler Identität in einer Gesellschaft, die sich ausgesprochen schwer damit tut, sich selbst als eine<br />

Einwan<strong>der</strong>ungsgesellschaft anzuerkennen, obwohl sie eine lange Migrationsgeschichte hat.“ 26<br />

Cornelia Siebeck vertritt darüber hinaus die These, dass in Verbindung mit einer<br />

neuen deutschen Identität <strong>der</strong> Verantwortung für die Geschichte eine Depolitisierung<br />

21<br />

22<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

Vgl. Enzo Traverso, Gebrauchsanleitungen für die Vergangenheit. Geschichte, Erinnerung, Politik, Münster<br />

2007.<br />

Cornelia Siebeck, Gedächtnis, Macht, Repräsentation. Zur (Un-)Möglichkeit demokratischer Gedenkstätten.<br />

Vortrag auf dem 16. Workshop zur Geschichte <strong>der</strong> Konzentrationslager: „Neue Perspektiven <strong>der</strong> Konzentrationslagerforschung:<br />

Ort, Ereignis und Gedächtnis“, Oświęcim/Gedenkstätte Auschwitz, 21. bis 25. Mai 2010<br />

(unveröff. Abstract).<br />

Hanno Loewy, Deutsche Identitäten vor und nach dem Holocaust, in: Hans Erler, Ernst-Ludwig Ehrlich (Hg.),<br />

Jüdisches Leben und jüdische Kultur in Deutschland. Geschichte, Zerstörung und schwieriger Neubeginn,<br />

Frankfurt am Main 2000, S. 240–251, hier S. 246.<br />

Ebda.<br />

Astrid Messerschmidt, Erinnerung jenseits nationaler Identitätsstiftung. Perspektiven für den Umgang mit dem<br />

Holocaust-Gedächtnis in <strong>der</strong> Bildungsarbeit, in: Lenz/Schmidt/von Wrochem (Hg.), Erinnerungskulturen im<br />

Dialog, S. 103–114, hier S. 104.<br />

Astrid Messerschmidt, Weltbil<strong>der</strong> und Selbstbil<strong>der</strong>. Bildungsprozesse im Umgang mit Globalisierung, Migration<br />

und Zeitgeschichte, Frankfurt am Main 2009, S. 186.<br />

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