Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen
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Vertreibungen und schließlich auch die Kollaboration standen und noch stehen.“ 306<br />
Daniel Levy und Natan Sznai<strong>der</strong> schreiben bereits 2001 – ein Jahr nach dem<br />
Holocaust-Forum in Stockholm –, dass die „Kosmopolitisierung <strong>der</strong> Holocaust<br />
Erinnerung mittlerweile integraler Bestandteil europäischer Politik“ 307 geworden sei.<br />
So steigt die Erwartung an die Möglichkeit von Gedenkstätten, als „transnationale<br />
Erinnerungsräume“ 308 über staatliche und soziale Grenzen hinweg Geschichte<br />
zu vermitteln, die für die Gegenwart relevant ist. Gründe für diese zunehmende Transnationalisierung<br />
des Diskurses um Gedenkstätten lassen sich sowohl in <strong>der</strong> Geschichte<br />
als auch in <strong>der</strong> europäischen Identitätspolitik finden. Darüber hinaus hat – wenn<br />
auch spät – die Realität <strong>der</strong> Migrationsgesellschaft auch den Diskurs um Erinnerungsorte<br />
und Geschichtskulturen erreicht. So schreibt Harald Welzer: „Der Umstand, dass<br />
alle westeuropäischen Gesellschaften inzwischen Einwan<strong>der</strong>ungsgesellschaften sind,<br />
bringt die Notwendigkeit <strong>der</strong> Entwicklung einer transnationalen Erinnerungskultur<br />
mit sich.“ 309 Auch widmen sich zunehmend Tagungen und Sammelbände <strong>der</strong><br />
„Erinnerungspädagogik in <strong>der</strong> deutschen Einwan<strong>der</strong>ungsgesellschaft“. 310 Allerdings<br />
ist diese Anfor<strong>der</strong>ung nicht ohne Fallen:<br />
Einerseits gilt es eben die moralischen Aufladungen und Vorstellungen von<br />
Empathie und Menschenrechtserziehung, die die Transnationalisierung und gouvernementale<br />
Europäisierung <strong>der</strong> Erinnerung begleiten, kritisch zu hinterfragen. An<strong>der</strong>erseits<br />
ist die Transzendierung des Nationalstaatsparadigmas gleichermaßen notwendig<br />
wie schwierig. Denn das Heraustreten aus homogenen Diskursen und die Öffnung für<br />
differente Zugänge birgt immer auch die Gefahr <strong>der</strong> Reproduktion von Differenz.<br />
„Dabei steht“, wie Astrid Messerschmidt schreibt, „die pädagogische Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
in <strong>der</strong> Gefahr, die Unterschiede, auf die sie eingehen will, erst durch andauernde<br />
Unterscheidung hervorzubringen und festzuschreiben.“ 311 Und Anne Fröhlich<br />
weiß davon zu berichten: „Immer wie<strong>der</strong> tappen (auch) PädagogInnen in die Falle <strong>der</strong><br />
‚Kulturalisierung’ und ‚Ethnisierung’. Aufgrund ihres Migrationshintergrunds werden<br />
306 Harald Welzer, Erinnerungskultur und Zukunftsgedächtnis, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 25–26/2010,<br />
S. 16–29, hier S. 17.<br />
307 Levy/Sznai<strong>der</strong>, Erinnerung im globalen Zeitalter, S. 210.<br />
308 Vgl. Daniel Levy, Natan Sznai<strong>der</strong>, Memory Unbound: The Holocaust and the Formation of Cosmopolitan<br />
Memory, in: European Journal of Social Theory, 5/2002, S. 87–106.<br />
309 Welzer, Erinnerungskultur und Zukunftsgedächtnis, S. 17.<br />
310 Eine Tagung unter diesem Titel fand im Oktober 2004 in <strong>der</strong> KZ-Gedenkstätte Neuengamme statt,<br />
www.umdenken-boell.de/downloads/pubErinnerungspaedagogik.pdf (20.01.2012).<br />
311 Messerschmidt, Involviertes Erinnern, S. 280.<br />
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