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Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen

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Rechtsextremismus“ 266 über die „Vorbeugung von Antisemitismus“ 267 bis zur<br />

Menschenrechtserziehung reichen die öffentlichen Wünsche und Zuschreibungen.<br />

Vor diesem Hintergrund bedeutet Gedenkstättenarbeit also mittlerweile auch, sich<br />

zahlreichen hohen Erwartungen zu wi<strong>der</strong>setzen. Das war nicht immer so:<br />

Die „Gedenkstättenpädagogik“ ist eine verhältnismäßig junge pädagogische<br />

Disziplin. Die Bezeichnung hat sich erst Mitte <strong>der</strong> 1980er Jahre herausgebildet, um<br />

die Arbeit mit BesucherInnen in Gedenkstätten zu beschreiben. Nachdem diese lange<br />

und oft marginalisiert – und etwa an ZivildienerInnen übertragen – wurde, ist sie in<br />

den letzten Jahren ins Zentrum <strong>der</strong> Aufmerksamkeit gerückt. So sind Gedenkstätten<br />

„in den letzten Jahren zu zentralen Orten des <strong>Lernen</strong>s aus <strong>der</strong> Geschichte geworden.“<br />

268 Vielerorts ist von <strong>der</strong> „Notwendigkeit einer professionalisierten Vermittlungstätigkeit“<br />

269 die Rede, wird an Aus- und Fortbildungen gearbeitet.<br />

In ihrem Selbstverständnis steht die Gedenkstättenpädagogik in Verbindung<br />

mit den Fel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Geschichtsdidaktik, <strong>der</strong> historisch-politischen Bildung, <strong>der</strong><br />

Museumspädagogik sowie <strong>der</strong> Kunst- und Kulturvermittlung – unterscheidet sich<br />

jedoch auch von diesen. 270 Denn die Erinnerungsorte mit ihren Verbrechensgeschichten<br />

271 bringen spezifische Aufgaben mit sich und haben mehrere Funktionen 272 : Sie<br />

266 Der damalige Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) meinte 2001 anlässlich <strong>der</strong> Vorstellung <strong>der</strong> Reformpläne für<br />

die Gedenkstätte im ehemaligen KZ Mauthausen: „Wir wollen eine zeitgemäße Form des Gedenkens für nachfolgende<br />

Generationen schaffen. Wir wollen damit eine Art Schutzimpfung gegen Rechtsradikalismus, Menschenhatz<br />

und jede Form <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>betätigung finden und Mauthausen als Zentrum <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>betätigungsprävention<br />

sichern.“ www.bmi.gv.at/cms/BMI_OeffentlicheSicherheit/2001/03_04/Artikel_14.aspx.<br />

Ursprünglich stammt diese Idee einer Schutzimpfung von Adorno, <strong>der</strong> sich 1959 in dem Vortrag „Was bedeutet:<br />

Aufarbeitung <strong>der</strong> Vergangenheit“ im Hinblick auf eine solche „Schutzimpfung“ für die Etablierung psychologischer<br />

und pädagogischer Propagandatricks ausgesprochen hat. „Aufarbeitung <strong>der</strong> Vergangenheit als Aufklärung<br />

ist wesentlich solche Wendung aufs Subjekt, Verstärkung von dessen Selbstbewußtsein und damit auch<br />

von dessen Selbst. Sie sollte sich verbinden mit <strong>der</strong> Kenntnis <strong>der</strong> paar unverwüstlichen Propagandatricks, die<br />

genau auf jene psychologischen Dispositionen abgestimmt sind, <strong>der</strong>en Vorhandensein in den Menschen wir<br />

unterstellen müssen. Da diese Tricks starr sind und von begrenzter Zahl, so bereitet es keine gar zu großen<br />

Schwierigkeiten, sie auszukristallisieren, bekanntzumachen und für eine Art von Schutzimpfung zu verwenden.<br />

Das Problem des praktischen Vollzugs solcher subjektiven Aufklärung könnte wohl nur eine gemeinsame<br />

Anstrengung von Pädagogen und Psychologen lösen, die nicht unter dem Vorwand wissenschaftlicher Objektivität<br />

<strong>der</strong> dringendsten Aufgabe sich entziehen, die ihren Disziplinen heute gestellt ist.“ Theodor W. Adorno, in:<br />

Was bedeutet Aufarbeitung <strong>der</strong> Vergangenheit (1959), in: Erziehung zur Mündigkeit, Frankfurt am Main 1971,<br />

S. 10–28, hier S. 27.<br />

267 Vgl. Andreas Peham, Elke Rajal, Antisemitismus in Österreichs Klassenzimmern. Eine pädagogische Herausfor<strong>der</strong>ung,<br />

http://yad-vashem.org.il/yv/en/education/languages/german/newsletter/03/peham_rajal.asp: „Vom<br />

Faktenwissen über das Menschheitsverbrechen, am besten noch durch authentische Erfahrungen in einer<br />

Gedenkstätte ergänzt, wird erwartet, dass es zur Vorbeugung von Antisemitismus ausreiche. Vergessen wird<br />

dabei, dass und wie leicht (vor allem undurchdachte) Erziehung über Auschwitz bei den Jugendlichen Abwehraggressionen<br />

hervorrufen kann. Diese können sich schnell zu antisemitischen Ressentiments verhärten, wenn<br />

sie nicht umgehend bearbeitet werden.“<br />

268 Zur Konzeption <strong>der</strong> Tagung „Diesseits und Jenseits des Holocaust. Aus <strong>der</strong> Geschichte lernen in Gedenkstätten“,<br />

Österreichische Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften, 15.–17. September 2011.<br />

269 Till Hilmar, Einleitung, in: <strong>der</strong>s. (Hg.), Ort, Subjekt, Verbrechen, S. 11–20, hier S. 12.<br />

270 Vgl. Heike Kuhls, Erinnern lernen? Pädagogische Arbeit in Gedenkstätten, Münster 1996, S. 34 ff.<br />

271 Ein offene Frage in Bezug auf Gedenkstätten ist die, ob mit dem Begriff ausschließlich jene Orte <strong>der</strong> Erinnerung<br />

bezeichnet werden sollen, die sich dort befinden, wo die Verbrechen stattgefunden haben, an die sie<br />

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