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Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen

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<strong>Geschichtsvermittlung</strong> als Exklusionsmechanismus?<br />

Die gesellschaftlichen, juristischen und diskursiven Kontinuitäten des Nazismus nach<br />

seiner Nie<strong>der</strong>lage und die Ambivalenzen in <strong>der</strong> postnazistischen Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit dem Holocaust scheinen weitgehend ausgeblendet zu werden, wenn von MigrantInnen<br />

eindeutige Positionen verlangt werden. Der Zivilisationsbruch wird dabei<br />

offenbar absur<strong>der</strong>weise zum Garant für „Zivilisiertheit“. So for<strong>der</strong>te etwa Armin<br />

Laschet, ehemaliger nordrhein-westfälischer Integrationsminister, ein Bekenntnis zur<br />

deutschen Vergangenheit von allen MigrantInnen in Deutschland. Anlässlich des<br />

Holocaust-Gedenktages am 27. Januar 2010 spricht er vom Gedenken an den Holocaust<br />

als „Teil unserer gemeinsamen Leitkultur”. 69 Vor diesem Hintergrund stellt Die<br />

Zeit eine Reihe kritischer Fragen: „Wird das Bekenntnis zur deutschen Geschichte so<br />

zum letzten, feinsinnigsten, ultimativen Einbürgerungstest? Erweist sich die Erinnerung<br />

an den Holocaust vielleicht gar als neuer, beson<strong>der</strong>s subtiler Exklusionsmechanismus?<br />

Kann in diesem Sinne ‚deutsch’ nur sein, wer erinnert?“ 70<br />

Das problematische an Laschets Diskurs ebenso wie an den diesem gegenüberstehenden<br />

kritischen Fragen ist, dass beide nicht die Migrationsgesellschaft und<br />

die mit ihr verbundenen strukturellen Ungleichheiten und Ausschlüsse adressieren,<br />

son<strong>der</strong>n die „MigrantInnen“ als „An<strong>der</strong>e“. Diesen wird ein Mangel gegenüber dem<br />

angeblichen Konsens <strong>der</strong> Dominanzkultur – <strong>der</strong> Leitkultur einer negativen Erinnerung<br />

an die nazistischen Verbrechen – unterstellt. 71<br />

Beide Herangehensweisen an das Thema werden, so die These dieser Arbeit,<br />

nicht den Herausfor<strong>der</strong>ungen gerecht, die sich an eine aktuelle <strong>Geschichtsvermittlung</strong><br />

stellen. Diese müsste nämlich vielmehr selbst transnational werden und ihre mehrheitsgesellschaftliche<br />

Perspektive verän<strong>der</strong>n.<br />

In dieser Arbeit soll daher eben nicht nach einer spezifischen Form <strong>der</strong> Vermittlung<br />

69<br />

70<br />

71<br />

MIGAZIN (28.01.2010), http://www.migazin.de/2010/01/28/gedenken-an-holocaust-teil-unserergemeinsamen-leitkultur/<br />

(20.01.2011). Konkreter: „Auf die Frage, ob auch die Eingebürgerten, <strong>der</strong>en Eltern<br />

o<strong>der</strong> Großeltern teilweise eine an<strong>der</strong>e Geschichte haben, sich dieser Verantwortung stellen müssen, antwortete<br />

Laschet: ‚Ja. Deutsche Geschichte ist nicht nur Beethoven und Goethe, son<strong>der</strong>n auch Auschwitz und Majdanek.<br />

Kein Kind <strong>der</strong> Nachkriegsgeschichte trägt Schuld an den Ereignissen während des Nationalsozialismus. Aber<br />

für eine gemeinsame Zukunft brauchen wir auch ein gemeinsames Bewusstsein für die Vergangenheit. Das<br />

bedeutet vor allem, jeglicher Form von Antisemitismus entgegenzutreten, und uneingeschränkt für das<br />

Existenzrecht Israels einzutreten.’”<br />

Topcu, „Bist du Jude?“, http://www.zeit.de/2010/04/Umfrage-Reportage?page=all<br />

„Ein klassisch koloniales Muster kommt […] zur Anwendung, wenn die ‚Fremden’ als defizitär, weil historisch<br />

unaufgeklärt repräsentiert werden.“ Messerschmidt, Weltbil<strong>der</strong> und Selbstbil<strong>der</strong>, S. 185.<br />

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