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Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen

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etwa nichts über die Verbrechen in Jugoslawien, über die Rolle <strong>der</strong> PartisanInnen?<br />

Wie vertraut ist uns die postkoloniale Perspektive auf den Nazismus? Wie differenziert<br />

können wir die Rolle <strong>der</strong> Türkei im Zweiten Weltkrieg sehen? Es gilt also<br />

weiterhin – gegen bloße Bekenntnisse und Rhetoriken – auf historischer Arbeit und<br />

auf ihrer Konkretion und Methodologie zu bestehen.<br />

Zweitens geht es um eine davon kategorial unterschiedene partizipative<br />

Dimension: Aktuell verhandelt werden kann nicht das, was war, son<strong>der</strong>n nur dessen<br />

Bedeutung für die Gegenwart. Insofern sich Gedenkstättenarbeit aber als partizipativ<br />

verstehen will, muss dies stets und jeweils gemeinsam geschehen. Im Sinne <strong>der</strong> Kontaktzone<br />

bedeutet dies, dass nicht alle Antworten auf das, was die Massenverbrechen<br />

<strong>der</strong> Nazis für uns bedeuten, bereits feststehen. Vielmehr gilt es, einen Verhandlungsraum<br />

zu eröffnen, <strong>der</strong> offene Ziele hat und auch Dissens möglich macht – denken wir<br />

hier wie<strong>der</strong> an den „konfliktualen Konsens“ 314 <strong>der</strong> agonistischen Kontaktzone.<br />

Nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das heißt keineswegs,<br />

dass Geschichtsarbeit neutral sein soll. Ganz im Gegenteil, denn Agonismus bedeutet<br />

bei Chantal Mouffe Parteilichkeit:<br />

„Der fundamentale Unterschied zwischen <strong>der</strong> ‚dialogischen’ und <strong>der</strong> ‚agonistischen’ Perspektive liegt<br />

darin, daß letztere sich eine tief greifende Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> bestehenden Machtverhältnisse und die<br />

Schaffung einer neuen Hegemonie zum Ziel setzt. Aus diesem Grund kann die agonistische Perspektive<br />

im eigentlichen Sinne ‚radikal’ genannt werden.“ 315<br />

In diesem Sinn soll hier für eine Geschichtsarbeit an geteilten Erinnerungsorten plädiert<br />

werden, die sich gleichermaßen als partizipativ und reflexiv wie als antifaschistisch<br />

und antirassistisch versteht.<br />

Wenn Gedenkstätten nicht zu bloßen moralischen Instanzen <strong>der</strong> Selbstvergewisserung<br />

werden sollen, dann gilt es auf den Brüchen und Fragen zu bestehen, die<br />

mit den Worten „Niemals vergessen“ verbunden waren, bevor sie zur leeren Worthülse<br />

wurden. Die beiden hier angesprochenen Aspekte <strong>der</strong> Geschichtsarbeit – das<br />

historische Material und die Kontaktzone – können dabei als gleichberechtigte Wi<strong>der</strong>stände<br />

gegen Top-down-Sinngebungen verstanden werden. Denn sowohl <strong>der</strong> historische<br />

Gegen-Stand, als auch die Akzeptanz einer Vervielfältigung von Bezügen zu<br />

Erinnerungsorten in <strong>der</strong> Kontaktzone können nicht in eine einfache Moral verpackt<br />

werden. Sie stellen oft unerwartete Begegnungen dar und zwingen, Brüche zu akzep-<br />

314 Mouffe, Über das Politische, S. 70.<br />

315 Ebda.<br />

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