Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen
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verständigt sich endlich selbst darüber, dass er sich öffnen muss. Allerdings ist auch<br />
eine Pädagogik, die auf Heterogenität reagiert, lei<strong>der</strong> stets mit <strong>der</strong> Gefahr verbunden,<br />
„die Unterschiede, auf die sie eingehen will, erst durch andauernde Unterscheidungen<br />
hervorzubringen und festzuschreiben.“ 387<br />
Das Dilemma zwischen <strong>der</strong> Gefahr <strong>der</strong> Homogenisierung einerseits und jener<br />
<strong>der</strong> Zuschreibung von An<strong>der</strong>sheit an<strong>der</strong>erseits ist uns in dieser Arbeit bereits an zahlreichen<br />
Stellen begegnet. Astrid Messerschmidt schreibt in diesem Zusammenhang:<br />
„We<strong>der</strong> eine Ignoranz gegenüber dem Migrationsaspekt, noch dessen identitäre Aufladung entsprechen<br />
den gesellschaftlich-kulturellen Gegebenheiten. Anzustreben ist eher eine Kontextualisierung von Migration<br />
im Zusammenhang vielfältiger Differenzen und Zugehörigkeiten in einem geteilten gesellschaftlichen<br />
Raum, in dem Geschichte repräsentiert wird.“ 388<br />
Das Konzept <strong>der</strong> Kontaktzone beschreibt einen geteilten Raum, einen gemeinsamen<br />
gesellschaftlichen Kontext, in dem dennoch Unterschiede nicht nivelliert werden.<br />
Dies entspricht einer Idee von historisch-politischer Bildung, wie sie Astrid<br />
Messerschmidt skizziert:<br />
„Historisch-politische Bildung, die das gemeinsame und zugleich unterschiedlich motivierte Interesse<br />
von Teilnehmenden an einem Gegenstand zum Ausgangspunkt nimmt, ermöglicht unterschiedliche<br />
Zugänge, ohne diese an eine nationale o<strong>der</strong> kulturelle Identität binden zu müssen. Es geht als nicht<br />
darum, wo jemand herkommt, son<strong>der</strong>n wie die gegenwärtige Beziehung zur Geschichte aussieht.“ 389<br />
Es geht also nicht darum, wo jemand herkommt. Und es geht zugleich auch nicht gar<br />
nicht darum. Denn die gegenwärtigen Bezüge zur Geschichte sind von zahlreichen<br />
Faktoren geprägt. Und viele davon können gar nicht wahrgenommen werden, wenn<br />
die Vielfältigkeit <strong>der</strong> Migrationsgesellschaft außer Acht gelassen wird. Welche<br />
<strong>Geschichtsvermittlung</strong> braucht also eine pluralistische, geteilte Gegenwart 390 in <strong>der</strong><br />
Migrationsgesellschaft?<br />
Für die Öffnung von Räumen scheinen zwei Voraussetzungen wesentlich, die<br />
im Folgenden kurz skizziert werden. Erstens geht es um eine kritische Analyse von<br />
Strukturen im Hinblick auf die Herstellung verän<strong>der</strong>ter Bedingungen, die Multiperspektivität<br />
durch eine Pluralisierung von SprecherInnenpositionen möglich machen.<br />
Aneignung <strong>der</strong> historischen Tatsache des Holocaust in <strong>der</strong> Migrationsgesellschaft, Vortragsmanuskript,<br />
Keynote zur Tagung „Und was hat das mit mir zu tun? Perspektiven <strong>der</strong> <strong>Geschichtsvermittlung</strong> zu Nazismus<br />
und Holocaust in <strong>der</strong> Migrationsgesellschaft, 17.–20. November 2011, Unveröffentlichtes Manuskript.<br />
387 Messerschmidt, Erinnerungsbeziehungen in den Nachwirkungen des Nationalsozialismus, S. 1.<br />
388 Ebda., S. 2.<br />
389 Messerschmidt, Involviertes Erinnern, hier S. 279 (Kursivsetzungen im Original).<br />
390 Mit dem Konzept <strong>der</strong> „geteilten Gegenwart“ beziehe ich mich auf jenes <strong>der</strong> „geteilten Geschichten“ in <strong>der</strong> postkolonialen<br />
Theorie. Vgl. Sebastian Conrad, Shalini Ran<strong>der</strong>ia, Einleitung. Geteilte Geschichten – Europa in<br />
einer postkolonialen Welt, in: dies., Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichtsund<br />
Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main 2002, S. 9–49.<br />
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