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Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen

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statt Sakralisierung. 287 So traten die Orte selbst und ihre konkreten Geschichten in den<br />

Vor<strong>der</strong>grund. Jan Philipp Reemtsma schreibt: „Es ist das historisch Beson<strong>der</strong>e, das<br />

sich so sehr <strong>der</strong> Anwendung sperrt. Und es ist dennoch das historisch Beson<strong>der</strong>e, das<br />

uns drängt, es zu dokumentieren, zu analysieren – manches tatsächlich immer wie<strong>der</strong><br />

neu – und Orte, die für die Beson<strong>der</strong>heit stehen, zu Orten <strong>der</strong> Dokumentation und<br />

Analyse zu machen.“ 288<br />

Gegen eine angesichts <strong>der</strong> Sinnlosigkeit unhaltbar scheinende Moralerziehung<br />

setzte eine kritische Vermittlung also die Konkretion von Topografien und Spuren.<br />

Matthias Heyl formuliert „die Aufgabe <strong>der</strong> Gedenkstättenpädagogik“: Spuren <strong>der</strong><br />

Geschichte vor Ort sichtbar zu machen, in ihrem historischen Kontext zu analysieren<br />

und zu deuten.“ 289 Diese investigative Arbeit am konkreten Ort und Material ermöglichte<br />

auch eine Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Kontinuitäten – denn die an den Orten<br />

hinterlassenen Spuren enden ja nicht 1945. Vielmehr weisen diese nicht selten auch<br />

Einschreibungen späterer Internierungen, alternativer Nutzungen, geschichtspolitischer<br />

Kämpfe, alltäglicher Umgangsformen, offizieller Verharmlosung o<strong>der</strong> auch<br />

neonazistischer Angriffe auf.<br />

Erinnerungsstolz und Selbstreflexionen<br />

Allerdings verän<strong>der</strong>te sich das Bild <strong>der</strong> Erinnerungslandschaft und ihrer Aufmerksamkeiten<br />

im Zuge <strong>der</strong> 1990er und 2000er Jahre. So war es in Deutschland zusehends gelungen,<br />

die „negative Erinnerung“ in eine positive Identifikationserzählung zu integrieren.<br />

290 Was noch in den 1980er Jahren unwahrscheinlich war, ist real geworden:<br />

Gedenken kann heute von oben verordnet werden. Theorie und Praxis <strong>der</strong> Geschichtsarbeit<br />

konnten davon profitieren – sie mussten sich allerdings auch vor Augen führen,<br />

dass sie, von ihren jeweiligen Positionen aus, auch an dieser Transformation beteiligt<br />

waren und sind. Heute stellt sich also längst nicht mehr die Frage, ob erinnert wird, 291<br />

son<strong>der</strong>n wie. Und Ausschlüsse treten in den Blick. Daher richtete sich die Reflexivität<br />

287 Vgl. Peter Larndorfer, Gedenken, <strong>Lernen</strong>, Fragen? Praktische Überlegungen zu den Studienfahrten des Vereins<br />

Gedenkdienst, in: Hilmar (Hg.), Ort, Subjekt, Verbrechen, S. 94–114, hier S. 105.<br />

288 Reemtsma, Wozu Gedenkstätten, S. 9.<br />

289 Heyl, Historisch-politische Bildung zur Geschichte des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen im 21.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t, S. 50.<br />

290 Knigge spricht davon, dass in <strong>der</strong> Bundesrepublik „negatives Gedächtnis als staatlich geför<strong>der</strong>te, öffentliche<br />

Aufgabe“ etabliert werden konnte. Vgl. Knigge, Zur Zukunft <strong>der</strong> Erinnerung, S. 12.<br />

291 Volkhard Knigge macht darauf aufmerksam, dass die Frage nach dem „Ob“ – „die Frage nach <strong>der</strong> politischen<br />

Durchsetzbarkeit gegen nicht selten heftigste Wi<strong>der</strong>stände“ – bis in die 1980er Jahre im Vor<strong>der</strong>grund gestanden<br />

hatte. Vgl. Volkhard Knigge, Gedenkstätten und Museen, in: <strong>der</strong>s., Norbert Frei (Hg.), Verbrechen erinnern.<br />

Die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Holocaust und Völkermord, Bonn 2005, S. 378–389.<br />

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