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Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen

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fassen. Was bleibt, sind gleichsam aus <strong>der</strong> Zerfallsmasse von einer begrifflich gedeckten Vorstellung<br />

von Antisemitismus hervorgegangene Partikel des Ressentiments. Sie legen sich wie Mehltau unterschiedlicher<br />

Konsistenz über die jeweils inkriminierten, mit den Juden in Verbindung gebrachten<br />

Phänomene. Diesen Partikeln des Ressentiments sollte, in Unterscheidung zur vormaligen, historischen<br />

Dichte, vielleicht kein antisemitischer, son<strong>der</strong>n eher ein antisemitisieren<strong>der</strong> Charakter zugeschrieben<br />

werden. Dieser freilich scheint allgegenwärtig.“ 420<br />

Wenn wir uns dies vor Augen führen, ist es wichtig, sich auch über die eigenen Verstrickungen<br />

bewusst zu werden. So machen Andreas Peham und Elke Rajal deutlich:<br />

„Gerade für die Arbeit mit Jugendlichen gilt, den Antisemitismus nicht nur bei den<br />

an<strong>der</strong>en festzustellen, son<strong>der</strong>n als Diskurs zu begreifen, in welchen alle – also auch<br />

die Lehrenden – mehr o<strong>der</strong> weniger stark verstrickt sind.“ 421<br />

Denn nur wenn Antisemitismus nicht als Vorwurf und nie wie<strong>der</strong> gut zu machen<strong>der</strong><br />

Fehler behandelt wird, son<strong>der</strong>n als diskriminieren<strong>der</strong> Diskurs, <strong>der</strong> hinterfragt<br />

werden kann und muss, 422 wird dieser auch bekämpf- und verlernbar:<br />

„Eine Pädagogik, die auf prinzipieller Anerkennung und Akzeptanz des Gegenübers basiert, verbirgt die<br />

eigene Ablehnung des Antisemitismus nicht, vermeidet es aber, in ihren Versuchen die von den SchülerInnen<br />

vorgebrachten Stereotype aufzulösen, eine belehrende Position einzunehmen. Sie bezieht den<br />

Alltag <strong>der</strong> SchülerInnen mit ein und analysiert vor seinem Hintergrund die Ursachen und Funktionen des<br />

jeweiligen antisemitischen Ressentiments.“ 423<br />

Das klingt gut, ist aber nicht so einfach. Denn hier ergibt sich ein Wi<strong>der</strong>spruch zwischen<br />

einer grundsätzlichen Offenheit für die Positionen <strong>der</strong> SchülerInnen und einer<br />

gleichzeitigen grundsätzlichen Ablehnung von Antisemitismus. Die HerausgeberInnen<br />

eines Sammelbandes zum pädagogischen Umgang mit Antisemitismus formulieren<br />

dies so:<br />

„Der Spagat für die pädagogisch Handelnden besteht dabei darin, dass einerseits – um mit den<br />

<strong>Lernen</strong>den im Gespräch zu bleiben – <strong>der</strong> Antisemitismus nicht in Form einer Beschuldigung<br />

angesprochen werden darf, an<strong>der</strong>erseits antisemitische Argumente als antisemitisch und deshalb<br />

inakzeptabel benannt werden müssen. Diese Haltung markiert den doppelten Anspruch an die<br />

Bildungsarbeit, Position gegen Antisemitismus zu beziehen und dabei die <strong>Lernen</strong>den nicht aus dem<br />

Lernprozess auszuschließen.“ 424<br />

Um dies jeweils konkret bewerkstelligen zu können, ist eine Auseinan<strong>der</strong>setzung mit<br />

Antisemitismus eine wesentliche Voraussetzung: „Insofern stellt die Fähigkeit, Anti-<br />

420 Dan Diner, Der Sarkophag zeigt Risse. Über Israel, Palästina und die Frage eines „neuen Antisemitismus“, in:<br />

Doron Rabinovici, Ulrich Speck, Natan Sznai<strong>der</strong> (Hg.), Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte, Frankfurt<br />

am Main 2004, S. 310–329, hier S. 310.<br />

421 Peham/Rajal, Antisemitismus in Österreichs Klassenzimmern.<br />

422 „Die Verwendung antisemitischer Stereotype seitens Jugendlicher ist zumeist – ohne frühe Ideologisierung o<strong>der</strong><br />

Fanatisierung in nationalistischer, rechtsextremer o<strong>der</strong> islamistischer Umgebung – kein Ausdruck eines geschlossenen<br />

Weltbildes, son<strong>der</strong>n die Folge unreflektierter Übernahme des herrschenden Sprechens über die<br />

Juden.“ Ebda.<br />

423 Ebda.<br />

424 Fechler/Kößler/Messerschmidt/Schäuble, Einleitung, S. 13.<br />

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