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Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen

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*** „Demokratischer Antisemitismus“<br />

Klaus Holz definiert „demokratischen Antisemitismus“ als „Judenfeindschaft, die in<br />

<strong>der</strong> demokratischen Öffentlichkeit geäußert wird“ bzw. als „judenfeindliche Äußerungen,<br />

die als scheinbar legitime Meinungen ‚in <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Gesellschaft’ veröffentlicht<br />

werden.“ 432<br />

Die Situation in Österreich stellt sich, was diesen „demokratischen Antisemitismus“<br />

betrifft, tatsächlich ganz an<strong>der</strong>s dar als in Deutschland. Ruth Beckermann<br />

schreibt im Jahr 2005 anlässlich <strong>der</strong> Neuauflage ihres 1989 erstmals erschienenen<br />

Buches „Unzugehörig“: „Erstaunt war ich beim Durchlesen meines Essays wohl<br />

darüber, daß das Lebensgefühl <strong>der</strong> Unzugehörigkeit, in welcher ich ihn geschrieben<br />

hatte – durch die Ereignisse mal abgeschwächt, dann wie<strong>der</strong> bestärkt – Bestandteil<br />

jüdischen Lebens in diesem Land bleibt.“ 433 Antisemitismus ist hier sowohl in pädagogischen,<br />

als auch in medialen 434 , politischen und sozialen 435 Zusammenhängen<br />

weniger diskreditiert. 436 Viele Jugendliche, die in Österreich ja ab 16 wahlberechtigt<br />

sind, wählen die FPÖ. 437 Sie vertreten Rassismus und Antisemitismus teilweise selbst<br />

als ihnen zufolge „legitime“ Positionen.<br />

432 Holz, Die Gegenwart des Antisemitismus, S. 56.<br />

433<br />

Ruth Beckermann, Unzugehörig, 2. Auflage, Wien 2005, S. 7.<br />

434<br />

„Antisemitische Haltungen und Diskursmuster ziehen sich wie <strong>der</strong> sprichwörtliche rote Faden durch das öffentliche<br />

Leben <strong>der</strong> Zweiten Republik, sei es in politischen Debatten, sei es in den Medien. (…) Der antisemitische<br />

Diskurs in <strong>der</strong> österreichischen Öffentlichkeit kommt mit Andeutungen aus, weil er sich auf Bil<strong>der</strong> vom ‚Juden’<br />

bezieht, die zur kulturellen Grundausstattung gehören.“, schreibt Werner Dreier und berichtet von den antisemitischen<br />

Beschimpfungen, die dem Dornbirner Gymnasiallehrer Werner Bundschuh entgegenschlugen, als er<br />

2004 den Vorstoß machte, „seine Schule in ‚Hans-Elkan-Gymnasium’ – nach dem von den Nazis ermordeten<br />

Hohenemser Historiker und Gymnasiallehrer – zu benennen“. Dreier, „Die Tirolerin, die ich bin, und die<br />

Antizionistin, die ich wurde ...".<br />

435 Ebda.: „Ganz selbstverständlich und praktisch nie kritisiert sprechen Vorarlberger Kin<strong>der</strong> und Jugendliche von<br />

‚Judenfürzen’ und meinen damit kleine Knallkörper.“<br />

436 Ebda.: „Das antisemitische Sprechen geschieht in Österreich auf zwei Ebenen: Während im vertrauten Milieu<br />

<strong>der</strong> bekannten und einschätzbaren Adressaten antisemitisches Reden den Systembruch von 1945 unbeeinträchtigt<br />

überdauerte, etablierte sich auf <strong>der</strong> Ebene des ‚öffentlichen’ das heißt: eben nicht an ausgewählte Adressaten<br />

gerichteten – Diskurses ein vorsichtigeres, überwiegend mit Andeutungen operierendes Sprechen. (…) Die<br />

generationsübergreifende Weitergabe von antijüdischen Vorurteilen läuft auf mehreren, teilweise sich überlappenden<br />

Ebenen ab: in den Medien (…), beson<strong>der</strong>s aber in <strong>der</strong> ‚kleinen’ Öffentlichkeit <strong>der</strong> Familie und des engeren<br />

Kreises von Freunden und Verwandten; nicht zu vergessen aber auch: in <strong>der</strong> (katholischen) Kirche (…)<br />

Österreicherinnen und Österreicher zogen aus dem Holocaust nicht so sehr die Lehre, dass es wichtig ist, sich<br />

vom Antisemitismus frei zu machen, son<strong>der</strong>n sie lernten vielmehr, ihre Artikulationsweise so anzupassen, dass<br />

sie nicht als Antisemiten gebrandmarkt werden können. Wir haben es also mehr mit einer gewandelten Artikulationsweise<br />

als mit einer gewandelten Einstellung zu tun.“<br />

437 Bei den Nationalratswahlen 2008 war die FPÖ bei den Unter-30-Jährigen mit 44 % die stärkste Partei. Vgl.<br />

profil, Nr. 41, 39. Jahrgang vom 6. Oktober 2008. Und auch bei den Wiener Gemein<strong>der</strong>atswahlen 2010 schnitt<br />

die FPÖ bei SchülerInnen mit 20 % überdurchschnittlich stark ab:<br />

http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen/grw-wien10.html (20.01.2012).<br />

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