Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen

tieren und Sinngebungsansprüche zu revidieren.
Anhand von reflexiven Ansätzen in Bildungswissenschaft und Migrationspädagogik
werden im nächsten Subkapitel Ansätze vorgestellt, die von einer solchen Offenheit
ausgehen und dabei Ausschlüsse und Verstrickungen benennen – im Hinblick auf eine
Veränderung.
I.3.4
Reflexivität in Bildungstheorie und kritischer Migrationspädagogik
Das letzte Subkapitel in diesem Abschnitt ist Bildungsansätzen gewidmet, die
bewusst in und mit „Widersprüchen“ operieren. Wir werden diesen in der doppelten
Bedeutung des Wortes begegnen: als reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen
kritischen Position innerhalb von Diskursen und Institutionen einerseits und als
Dissens, als „talking back“ gegen die bestehenden Verhältnisse andererseits. Nach
einer Beschäftigung mit den Verstrickungen jeder Bildung in der postnazistischen
Migrationsgesellschaft und einer kritischen Perspektivierung der Geschichte der
Migrationspädagogik wird es also auch um die Möglichkeit von Dissens gehen.
Selbstkritische Erinnerung in der postnazistischen Migrationsgesellschaft
„Sich in Widersprüchen zu bewegen, gehört zu den alltäglichen Anforderungen in der
modernen Gesellschaft und ihren Institutionen.“ 316 Mit diesen Worten beginnt die
Erziehungswissenschafterin Astrid Messerschmidt ein Buch, in dem sie sich unter
dem Titel „Weltbilder und Selbstbilder“ mit den Verstrickungen der institutionalisierten
Bildung in Herrschaftszusammenhänge (und deren postnationalsozialistische
317 , strukturell rassistische 318 und postkoloniale Dimensionen) auseinandersetzt.
Sie thematisiert Bildungsprozesse im Umgang mit Globalisierung, Migration und
316 Messerschmidt, Weltbilder und Selbstbilder, S. 7.
317 Messerschmidt spricht bewusst nicht von „Nazismus“ und „Postnazismus“. Für sie ist es wichtig, dass die „Bezeichnung
Nationalsozialismus sowohl die nationalistische Ideologie als auch die antisemitisch strukturierte
sozialpolitische Integrationspraxis“ widerspiegelt und dass die „Attraktivität des NS“ in der „Kombination
beider Komponenten“ lag. Vgl. Astrid Messerschmidt, Erinnerungsbeziehungen in den Nachwirkungen des
Nationalsozialismus, Keynote zur Tagung „Und was hat das mit mir zu tun? Perspektiven der Geschichtsvermittlung
zu Nazismus und Holocaust in der Migrationsgesellschaft, 17.–20. November 2011, Unveröffentlichtes
Manuskript, S. 1.
318 „Emanzipatorische Selbstvergewisserungsprozesse sowie die Ideen von Gleichheit und Vernunft sind historisch
verknüpft mit den Abwertungen derer, die als ethnisch ‚Andere’ identifiziert werden. Rassismus ist also auch
für die Geschichte der Pädagogik keinesfalls außerhalb pädagogischer Ideen zu entlarven, sondern integraler
Bestandteil ihrer wissenschaftlichen Genese.“ Messerschmidt, Weltbilder und Selbstbilder, S. 216.
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