Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen
Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen
Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Augen zu führen. Unter an<strong>der</strong>em auch, weil keine <strong>der</strong> beiden Seiten in <strong>der</strong> Kontaktzone<br />
vergessen werden darf und weil ihre Verwechslung zu zahlreichen Problemen<br />
führt. In <strong>der</strong> Gedenkstättenpädagogik wurden in den letzten Jahren zahlreiche Methoden<br />
entwickelt, die die Konkretion des Ortes in den Vor<strong>der</strong>grund stellen. Einer für die<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Geschehenen kaum hilfreichen Sakralisierung <strong>der</strong> Erinnerung<br />
stellen sie die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Materialität <strong>der</strong> Reste und Zeugnisse,<br />
also eine reflexive Perspektivierung auf historische Spuren entgegen sowie eine<br />
„negative Erinnerung“, die sich eindeutigen Sinngebungsansprüchen wi<strong>der</strong>setzt. Wir<br />
begegnen in <strong>der</strong> Gedenkstättenpädagogik also dem, was geschehen ist, als Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit Orten, Quellen, Materialien und Fragmenten und müssen uns dem,<br />
was es für die Gegenwart bedeutet, als offene, unauflösbare Frage stellen. Micha<br />
Brumlik spricht von einem „Aktualisierungsparadox“ 490 .<br />
Die Aktualisierung stellt wie<strong>der</strong>um den wesentlichen Motor <strong>der</strong> Holocaust<br />
Education dar. Und auch wenn in <strong>der</strong> mit ihr verbundenen Literatur durchaus darüber<br />
diskutiert wurde, ob und welche Schlüsse aus dem Holocaust gezogen werden können,<br />
geht es bei ihr mehr als in allen an<strong>der</strong>en Vermittlungsansätzen um die Gegenwart.<br />
Das führte in den letzten Jahren zu zahlreichen Debatten, die kontrovers zwischen<br />
Singularitätsanspruch einerseits und <strong>der</strong> Globalisierung des Holocaust an<strong>der</strong>erseits<br />
geführt wurden. Auch dabei scheint es wichtig, die beiden Ebenen <strong>der</strong> <strong>Geschichtsvermittlung</strong><br />
voneinan<strong>der</strong> zu trennen. Solange wir darüber sprechen, was geschehen<br />
ist, hat auch die Globalisierung des Holocaust eine sehr konkrete Bedeutung. Eine<br />
Transnationalisierung <strong>der</strong> Geschichtsschreibung macht eine Erweiterung des historischen<br />
Interesses auf bisher marginalisierte historische Perspektiven notwendig: Hier<br />
müssten etwa die Verbrechen <strong>der</strong> Wehrmacht am Balkan, die Bedeutung des Zweiten<br />
Weltkriegs in <strong>der</strong> Türkei, die Geschichte des Zweiten Weltkrieges außerhalb Europas<br />
aus (post-)kolonialer Perspektive und vieles an<strong>der</strong>e mehr Raum im Schulunterricht<br />
erhalten. Dabei kann die scheinbare Multiperspektivität <strong>der</strong> Dreiteilung in „Opfer,<br />
TäterInnen und ZuschauerInnen“ nicht genügen – so wird eine massive<br />
Vervielfältigung <strong>der</strong> Beschäftigung mit historischen Positionen und AkteurInnen<br />
490 Micha Brumlik, Aus Katastrophen lernen? Grundlagen zeitgeschichtlicher Bildung in menschenrechtlicher<br />
Absicht, Berlin – Wien 2004, S. 182<br />
160