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Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen

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stättendiskurs in Deutschland (und langsam auch in Österreich) seit den 1990er Jahren<br />

eine reflexive Auseinan<strong>der</strong>setzung durchgesetzt – die entgegen den Zuschreibungen<br />

stark auf Konkretion und historische Ortsspezifität setzt. Ein wesentlicher Motor und<br />

Vertreter dieses Diskurses ist Volkhard Knigge – seit 1994 Leiter <strong>der</strong> Gedenkstätte<br />

Buchenwald. Für ihn geht es in Gedenkstätten um selbstkritische historische Bildung.<br />

Und diese ist ihm zufolge reflexiv angelegt, geht von den konkreten Geschichten des<br />

Ortes aus und zielt auf die Gegenwart. 283 Knigge spricht von „negativer Erinnerung“.<br />

Was bedeutet dies?<br />

„Charakteristisch für dieses historische Erinnern ist, […] dass Schuld und Verantwortung nicht mehr<br />

verleugnet, abgeschoben o<strong>der</strong> überdeckt werden, son<strong>der</strong>n dass sie zu Anlässen kritischer gesellschaftlicher<br />

Selbstreflexion und Selbstvergewisserung gemacht werden. Solche Erinnerung doppelt das<br />

Negative ebenso wenig, wie sie – ein oft gehörter Einwand aus nationalistischer Perspektive – durch<br />

Selbstkritik Selbstbewusstsein schwächt. Vielmehr transzendiert sie die negative Vergangenheit durch<br />

bewusstes Überwinden ihrer politischen, sozialen und kulturellen Voraussetzungen, sodass Gegenwart<br />

und Zukunft <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holung ähnlicher Untaten entgegenstehen. […] So gesehen ist negative<br />

historische Erinnerung absichtliche Selbstbeunruhigung an <strong>der</strong> (eigenen) Geschichte.“ 284<br />

Die reflexive Position will sich <strong>der</strong> Tatsache stellen, dass die Arbeit an einer Gedenkstätte<br />

aus vielen Gründen eine schwierige Aufgabe ist, <strong>der</strong> man eigentlich nicht<br />

gerecht werden kann. Hintergrund dafür bilden die Debatten um den „Zivilisationsbruch<br />

Auschwitz“ 285 . Sie hinterließen in den 1990er Jahren ihre Spuren in einer<br />

Gedenkstättenvermittlung, die es sich nicht erlauben wollte, den Verbrechen Sinn zu<br />

unterstellen o<strong>der</strong> zu verleihen. Die Dramaturgie <strong>der</strong> Vermittlung <strong>der</strong> Morde sollte kein<br />

Happy End in einer besseren, toleranteren Welt versprechen. So schreibt Till Hilmar:<br />

„Die Voraussetzung eines Gedenkstättenbesuches ist hier die Überwindung einer<br />

negativen Differenz, ohne doch jemals auf die imaginiert ‚gute Seite’ zu gelangen.“ 286<br />

Erhabenheitsgesten – wie sie in <strong>der</strong> Architektur durchaus angelegt waren – und allzu<br />

vereinfachend scheinende Sinnstiftungen wurden in <strong>der</strong> Vermittlung kritisch hinterfragt.<br />

Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Sinnlosigkeit <strong>der</strong> Verbrechen führte das bewusste Aussetzen<br />

einer emphatischen pädagogischen Sinngebung in den 1990er Jahren zu einer<br />

Tendenz zum Fragmentarischen und Konkreten. Gefor<strong>der</strong>t wurde Kontextualisierung<br />

283 Vgl. Knigge, Europäische Erinnerungskultur, S. 78.<br />

284 Ebda.<br />

285 Vgl. Diner, Zivilisationsbruch.<br />

286 Till Hilmar, Abschied vom Erinnerungsort. Studienfahrten als Form <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit NS und Holocaust,<br />

in: <strong>der</strong>s. (Hg.), Ort, Subjekt, Verbrechen, S. 75–93 , hier S. 79 f.<br />

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