Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen
Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen
Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
gorien beschriebenes Verhältnis zur Geschichte.“ 302<br />
Vor diesem Hintergrund fragt Anne Fröhlich in einem Artikel zum Umgang<br />
mit heterogenen Gruppen auf Studienfahrten:<br />
„Befasst man sich mit dem Thema <strong>der</strong> ‚Erinnerungsgemeinschaft’, sollte man meinen, es gehe um<br />
gemeinschaftliches Erinnern. Es entsteht jedoch schnell <strong>der</strong> Eindruck, dass es vielmehr Hegemonie ist,<br />
die durch ‚Gemeinschaftsmodelle’ geltend gemacht werden soll: Wer hat Ansprüche auf die Geschichte<br />
und wer darf an einer (nationalen) Erinnerungsgemeinschaft teilhaben? Können, sollen o<strong>der</strong> müssen sich<br />
MigrantInnen an ‚österreichische’ bzw. ‚deutsche’ Geschichte erinnern? O<strong>der</strong> sich sogar an geschichtspolitischen<br />
Diskursen beteiligen? Wem ‚gehört’ die Geschichte?“ 303<br />
Diese Fragen führen zu einer weiteren: Wenn die negative Erinnerung in <strong>der</strong> Gefahr<br />
steht, national zu wirken, unter welchen Bedingungen kann sie sich dann transnationalisieren?<br />
Zunächst ist festzustellen, dass Gedenkstätten längst (wenn nicht seit ihrer Entstehung)<br />
transnationale Bezüge haben. Einerseits hat dies mit dem Weltkrieg und dem<br />
Anspruch <strong>der</strong> Nazis auf „Europa“ und die „Welt“, mit <strong>der</strong> weit über die deutschen<br />
Grenzen hinaus gehenden Involvierung in die Verbrechen sowie mit <strong>der</strong> Emigration<br />
<strong>der</strong> Überlebenden und den u. a. damit verbundenen vielfachen nationalen Bezüge<br />
ihrer Kin<strong>der</strong> und Enkelkin<strong>der</strong> zu tun. An<strong>der</strong>erseits werden in den letzten Jahren – im<br />
Zusammenhang mit einer „Globalisierung des Holocaust“ 304 – auch die pädagogischen<br />
Ansprüche an Gedenkstätten immer transnationaler und universaler:<br />
„Nie sind Gedenkstätten nur Friedhöfe gewesen. Die Orte sollen zugleich etwas an<strong>der</strong>es sein, etwas das<br />
über die engagierte Erinnerung <strong>der</strong> sich als Nachkommen fühlenden hinausreicht, ein Ort ‚für kommende<br />
Generationen’ und für die kommenden Generationen ‚aller Nationen’. […] Hier wird etwas postuliert<br />
wie ein Menschheitserbe, das über Zeit und Ort hinausreicht, das sozusagen nicht mehr in <strong>der</strong> Geschichte<br />
steht, son<strong>der</strong>n seinerseits Geschichte definiert, die sich ihm zuordnen soll.“ 305<br />
In den letzten 15 Jahren wurde Erinnerung also massiv transnationalisiert – denken<br />
wir etwa an die Deklaration <strong>der</strong> Holocaust-Konferenz 2000 in Stockholm und die<br />
damit verbundene Etablierung und Verbreitung des Holocaust-Gedenkens in fast allen<br />
ehemaligen „westeuropäischen“ und sehr vielen ehemaligen „osteuropäischen“ Län<strong>der</strong>n.<br />
„Dieser Gründungsakt einer transnationalen Erinnerungskultur“, schreibt Harald<br />
Welzer, „fiel in den meisten europäischen Län<strong>der</strong>n mit einer neuen Geschichtsbezogenheit<br />
zusammen, in <strong>der</strong>en Zentrum <strong>der</strong> Holocaust, <strong>der</strong> Zweite Weltkrieg, die<br />
302 Messerschmidt, Involviertes Erinnern, S. 278.<br />
303 Anne Fröhlich, Der Diversity-Ansatz als Basis für den Umgang mit heterogenen Gruppen auf Studienfahrten,<br />
in: Hilmar (Hg.), Ort, Subjekt, Verbrechen, S. 128–138, hier S. 130 f.<br />
304 Vgl. Levy/Sznai<strong>der</strong>, Erinnerung im globalen Zeitalter.<br />
305 Reemtsma, Wozu Gedenkstätten, S. 4.<br />
91