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Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen

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men. Ein Mädchen aus einer arabischen Familie ist heute einfach nicht erschienen.<br />

‚Da kann man durchaus Absicht unterstellen’, sagt Lehrerin Elke Menzel, ‚und ich<br />

mache das auch mal.’“<br />

Hier wird also nicht nur ein Vermittler vorgestellt, son<strong>der</strong>n auch die Dramaturgie<br />

eines möglichen „Kulturkonflikts“ aufgebaut: Der Artikel erzählt von einem Schüler<br />

namens Zafer, <strong>der</strong> bereits im Vorfeld die Frage stellte, ob er ins Jüdische Museum<br />

müsse, obwohl er gar kein Jude sei und beschreibt das Verhalten <strong>der</strong> SchülerInnen –<br />

die alle als migrantisch vorgestellt werden 8 – als „lustlos, aber nicht feindselig“. Doch<br />

dann erfahren die Jugendlichen, dass sie es mit einem muslimischen Vermittler zu tun<br />

haben, <strong>der</strong> Verbindungen zwischen dem Islam und dem Judentum herausarbeitet und<br />

mit einem Mal wird die Führung, so <strong>der</strong> Artikel, für die Jugendlichen interessant. Am<br />

Ende des Textes wird Ufuk Topkara dann noch weit über die Führung hinaus zu<br />

einem Helden des Alltags gemacht:<br />

„Hat Topkara also etwas erreicht in <strong>der</strong> vergangenen Stunde? Konnte er Vorurteile abbauen? ‚Ich<br />

glaube, <strong>der</strong> Effekt verpufft sehr schnell, wenn sie zurückkommen in ihr soziales Umfeld’, sagt er<br />

nachdenklich. Vielleicht hat er recht. Vielleicht werden sie nicht als einzige wi<strong>der</strong>sprechen, wenn<br />

jemand gegen Juden hetzt. Aber sie werden sich an den großen Bru<strong>der</strong> Ufuk aus dem Museum erinnern.<br />

Er hätte wi<strong>der</strong>sprochen.“<br />

Für den Vermittler Ufuk Topkara interessierte sich auch Die Zeit. 9 Sie stellt ihn gemeinsam<br />

mit Aycan Demirel vor, dem Grün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kreuzberger Initiative gegen<br />

Antisemitismus. 10 Auch er wird als Mann mit Courage präsentiert, <strong>der</strong> sich nach<br />

seinen Jugendjahren, in denen „das Militär in <strong>der</strong> Türkei jegliche politische Aktivität<br />

unterband“, geschworen hatte, „nie wie<strong>der</strong> unpolitisch sein zu wollen“. Der problematische<br />

Tenor <strong>der</strong> Artikel geht davon aus, dass MigrantInnen Vorurteile gegen<br />

JüdInnen hätten, dass sie sogar zu einem großen Teil antisemitisch wären 11 und dass<br />

8<br />

Im Artikel wird das so beschrieben: „Bei <strong>der</strong> Gruppe im Jüdischen Museum hat heute kein Schüler deutsche<br />

Eltern.“<br />

9<br />

Topcu, „Bist du Jude?“, http://www.zeit.de/2010/04/Umfrage-Reportage?page=all<br />

10 http://www.kiga-berlin.org/<br />

11<br />

Eine kritische Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem medialen Diskurs zur Aufgabe <strong>der</strong> <strong>Geschichtsvermittlung</strong> in <strong>der</strong><br />

Migrationsgesellschaft soll nicht darüber hinweggehen, dass es tatsächlich Antisemitismus in muslimischen<br />

Communities gibt. http://www.welt.de/politik/deutschland/article6491671/Graumann-warnt-vor-Antisemitismus-bei-Migranten.html.<br />

An späterer Stelle wird hierauf noch genauer eingegangen. Hier geht es vorerst<br />

darum, die Funktion <strong>der</strong> Zuschreibung von Antisemitismus an migrantische Jugendliche für die dominanzkulturelle<br />

Beschäftigung mit Nazismus und Holocaust herauszustreichen. Astrid Messerschmidt schreibt in<br />

diesem Zusammenhang: „Aktuell werden Antisemitismen auffälligerweise auch unter marginalisierten Min<strong>der</strong>heiten<br />

mit migrantischen Hintergründen artikuliert. Für den mehrheitsdeutschen Umgang mit sekundärem<br />

Antisemitismus bietet sich dadurch eine Gelegenheit, zum einen das Problem jenseits <strong>der</strong> einheimischen<br />

Mehrheitsgesellschaft anzusiedeln und zum an<strong>der</strong>en die Nichtzugehörigkeit dieser „Nicht-ganz-Deutschen“<br />

bestätigt zu sehen. Dabei knüpft <strong>der</strong> Antisemitismus <strong>der</strong>er, die auch in <strong>der</strong> dritten Generation immer noch als<br />

‚Migranten’ bezeichnet werden, an jenen an, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> deutschen Gesellschaft nach wie vor vorhanden ist.“<br />

Astrid Messerschmidt, Postkoloniale Erinnerungsprozesse in einer postnationalsozialistischen Gesellschaft –<br />

7

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