30.10.2013 Aufrufe

Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen

Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen

Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Handlungsbedarf mit sich: Denn auch wenn VermittlerInnen keinen moralischen<br />

Zusammenhang zwischen dem „Gedenken an Auschwitz“ und „freiheitlich demokratischem<br />

Handeln“ 454 herstellen, tritt die Frage danach durch rechtsextreme Aktualisierungen<br />

des Nazismus in den Vermittlungsprozess – dann wird es notwendig, zu<br />

reagieren bzw. damit umzugehen. Gerade die Perspektive <strong>der</strong> Kontaktzone läuft im<br />

Zusammenhang mit Rechtsextremismus Gefahr, zu einer Büchse <strong>der</strong> Pandora zu<br />

werden. Denn je offener die Unterrichtsformen sind und je mehr positionierte Eigenaktivität<br />

erwünscht ist, desto eher wird es möglich, dass auch rechtsextreme Jugendliche<br />

ihre Positionen offen, mehr o<strong>der</strong> weniger explizit äußern und diese in die<br />

Projektarbeit einbringen. So for<strong>der</strong>te etwa eine vom Rechtsextremismus faszinierte<br />

Jugendliche im Zuge unseres Projekts immer wie<strong>der</strong>, dass wir – wenn wir ständig von<br />

Offenheit sprechen würden – auch rechte Ideologien gleich behandeln müssten wie<br />

alle an<strong>der</strong>en. Und irgendwie ließe sich diese Position ja auch nicht ganz von <strong>der</strong> Hand<br />

weisen, wenn es uns nur um die Öffnung von Räumen ginge.<br />

Spätestens im Zusammenhang mit dem Thema Rechtsextremismus wird also die<br />

Frage nach Grenzziehungen unzweifelhaft virulent. Aber worum kann es bei diesen<br />

Grenzziehungen gehen? Einerseits wohl um eine Festsetzung <strong>der</strong> Grenzen des demokratischen<br />

Raumes selbst. So gibt es also etwas, das in <strong>der</strong> Kontaktzone nicht zur<br />

Verhandlung steht. Denn um den dissensualen Raum <strong>der</strong> agonistischen Kontaktzone<br />

zu ermöglichen, ist eine Einigung auf einen demokratischen Rahmen nötig – eine<br />

Einigung, die die Gefährdung <strong>der</strong> Demokratie verbannt. 455<br />

Sehen wir uns einmal an, wie Rechtsextremismus definiert wird, dann wird<br />

sogleich deutlich, dass die Demokratie dabei tatsächlich auf dem Spiel steht:<br />

„Der Begriff ‚Rechtsextremismus’ wird als Sammelbegriff für politische Parteien, Organisationen,<br />

Gruppen, Bewegungen, Strömungen und Bestrebungen verwendet, die versuchen – häufig unter<br />

Androhung und/o<strong>der</strong> Anwendung von Gewalt – demokratische Grundrechte einzuschränken bzw. ganz<br />

454 Vgl. Phil C. Langer, Daphne Cisneros, Angela Kühner, Aktuelle Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> schulischen Thematisierung<br />

von Nationalsozialismus und Holocaust. Zu Hintergrund, Methodik und Durchführung <strong>der</strong> Interviewstudie,<br />

in: Bayrische Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit (Hg.), Einsichten und Perspektiven,<br />

Bayrische Zeitschrift für Politik und Geschichte, Themenheft 1/2008, Holocaust Education. Wie Schüler und<br />

Lehrer den Unterricht zum Thema Nationalsozialismus und Holocaust erleben, S. 10–27.<br />

455 So schreibt Chantal Mouffe: „Ungeachtet heutiger Schlüsselbegriffe wie ‚good governance’ o<strong>der</strong> ‚unparteiische<br />

Demokratie’ ist keine Politik möglich ohne die Setzung von Grenzen. Der demokratische Konsens, verkündigt<br />

von all jenen, die die ‚Mitte’ feiern, kann nicht ohne Definition eines Außen entstehen, das gerade durch seinen<br />

Ausschluß die Identität und Kohärenz innen sichert. Daher die Notwendigkeit <strong>der</strong> Definition eines ‚sie’, dessen<br />

Existenz die Einheit des demokratischen ‚wir’ ermöglicht.“, http://eipcp.net/transversal/0401/mouffe/de. Allerdings<br />

bleibt auch bei Chantal Mouffe offen, wie es zu dieser Einigung kommt. Ist die Festsetzung <strong>der</strong> Grenzen<br />

des agonistischen Raumes selbst agonistisch verhandelbar o<strong>der</strong> nicht? Mouffe selbst bleibt lei<strong>der</strong> eine Antwort<br />

auf diese wesentliche Frage nach den Grenzen des Agonismus schuldig.<br />

149

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!