Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen
Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen
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suchen. Gerade ZeitzeugInnen betonen oft, dass sie ihre Arbeit machen, um dazu<br />
aufzurufen, nicht mitzumachen und sich zu wehren. Wenn wir also nicht nur konkrete<br />
Aktualisierungsvorschläge als Ziel <strong>der</strong> Holocaust Education verstehen und <strong>der</strong>en<br />
Ethik nicht bloß als Moralisierung abtun, son<strong>der</strong>n auch als ein <strong>Lernen</strong> über die<br />
Möglichkeit, nicht mitzumachen, verstehen, dann scheint dies sowohl <strong>der</strong> Kontaktzone<br />
als auch <strong>der</strong> „negativen Erinnerung“ standhalten zu können. 491 Denn „nicht<br />
mitmachen“ 492 ist eine Lehre, die sich je<strong>der</strong>zeit und in vielen unterschiedlichen Kontexten<br />
wi<strong>der</strong>ständig selbstständig machen kann.<br />
Aus dem Kontext <strong>der</strong> historisch-politischen Bildung und <strong>der</strong> Bildungstheorie<br />
konnte eine reflexive <strong>Geschichtsvermittlung</strong>, die vor allem in den Arbeiten Astrid<br />
Messerschmidts erarbeitet wurde, für die Kontaktzone produktiv gemacht werden.<br />
Die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Verstrickungen, die <strong>Lernen</strong>de ebenso wie Lehrende<br />
betreffen, ermöglicht einen Paradigmenwechsel: <strong>Geschichtsvermittlung</strong> tritt in ihrer<br />
Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit in den Blick – und gerade weil es keinen unschuldigen Kontext<br />
für sie gibt, eröffnet sie für alle Beteiligten Handlungsräume, um sich zu<br />
positionieren. Der Migrationspädagogik und vor allem Paul Mecheril verdankt diese<br />
Arbeit die Perspektivierung auf die Machtverhältnisse, innerhalb <strong>der</strong>er jede<br />
<strong>Geschichtsvermittlung</strong> in <strong>der</strong> Migrationsgesellschaft angesiedelt ist. Von <strong>der</strong><br />
Kulturvermittlung wie<strong>der</strong>um können wesentliche Impulse für die agonistische<br />
Kontaktzone in <strong>der</strong> Etablierung von offenen Prozessen und Formen kollektiver<br />
Wissensproduktion ausgehen.<br />
Nehmen wir dies alles ernst, dann haben wir mit dieser Arbeit zahlreiche transdisziplinäre<br />
Einsichten in den Gegenstand und Instrumentarien für die Aufgaben von<br />
<strong>Kontaktzonen</strong> <strong>der</strong> <strong>Geschichtsvermittlung</strong> über den Holocaust gewinnen können. Zum<br />
Abschluss möchte ich diese noch mit einer für unser Thema relevanten aktuellen<br />
Debatte in <strong>der</strong> kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung abgleichen – mit <strong>der</strong><br />
Frage nach <strong>der</strong> Rolle von Nazismus und Holocaust für eine transnationale Erinnerung<br />
im Zeitalter <strong>der</strong> Dekolonisation.<br />
In den letzten drei Jahren haben vor allem zwei wichtige Autoren dieses<br />
Thema bearbeitet: Dan Diner und Michael Rothberg. Die beiden können paradigma-<br />
491 Ich danke Lisa Bolyos für viele Gespräche und diesen Gedanken.<br />
492 Vgl. Oliver Marchart, Neu beginnen. Hannah Arendt, die Revolution und die Globalisierung, Wien 2005,<br />
S. 118.<br />
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