Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen
Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen
Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung Transnationales Lernen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
nanzkulturellen Jugendlichen geäußert. Dies kann damit zu tun haben, dass viele<br />
jugendliche MigrantInnen verständlicherweise nicht negativ auffallen bzw. stereotypisiert<br />
werden wollen. Astrid Messerschmidt stellt die Frage: Wie werden pädagogische<br />
Machtverhältnisse von denen erlebt, die immer wie<strong>der</strong> ihre Zugehörigkeit<br />
legitimieren müssen und denen häufig Integrationsdefizite unterstellt werden? Sie<br />
behalten ihre Vorurteile dann eher für sich und lassen die Auseinan<strong>der</strong>setzung möglichst<br />
nicht an sich herankommen. Gerade weil es die rassistische Zuschreibung gibt,<br />
dass MuslimInnen antisemitisch sind, wird es also manchmal unmöglich, über <strong>der</strong>en<br />
Antisemitismus zu sprechen. Warum sollten sie sich einer Diskussion aussetzen, in<br />
<strong>der</strong> sie erstens bereits abgestempelt sind – und dies zweitens für etwas sind, das sie<br />
vielleicht tatsächlich glauben?<br />
Diese Perspektivierungen scheinen wichtig, um die spezifischen Ausdrucksformen<br />
des Antisemitismus bei muslimischen Jugendlichen besser zu verstehen. Dennoch<br />
muss hier betont werden, dass Antisemitismus keineswegs bei MigrantInnen weiter<br />
verbreitet ist als unter Angehörigen <strong>der</strong> Dominanzkultur – im Gegenteil. Ein weiteres<br />
Mal möchte ich daher auch hier vor <strong>der</strong> Gefahr warnen, den Antisemitismus zu<br />
„exterritorialisieren“. 442 So schlussfolgern Barbara Schäuble und Albert Scherr aus<br />
ihrer Studie zu „Antisemitismus in heterogenen Jugendszenen“: „Die Annahmen, dass<br />
Antisemitismus vor allem als eine in sich geschlossene und geradlinig an den historischen<br />
Antisemitismus anknüpfende Ideologie bedeutsam und insbeson<strong>der</strong>e unter so<br />
genannten bildungsfernen Jugendlichen sowie unter ‚muslimischen’ Jugendlichen<br />
verbreitet sei, erweisen sich bei näherer Betrachtung als empirisch unhaltbar.“ 443<br />
Die Motivationen und Ziele, mit denen sich Jugendliche bzw. mit denen wir uns auch<br />
manchmal selbst antisemitischer Diskurse bedienen, sind unterschiedlich, ebenso sind<br />
es die Sprachspiele, in denen sie Jugendlichen und uns selbst unbewusst unterlaufen.<br />
Schäuble und Scherr unterscheiden zwischen vier verschiedenen Formen von<br />
442 Vgl. Messerschmidt, Verstrickungen, S. 164: „ (…) so als würden diese Haltungen von außen hereingetragen.<br />
Darin kommt eine Verkennung <strong>der</strong> europäischen Wurzeln antisemitischen Denkens zum Ausdruck und eine<br />
Verdrängung <strong>der</strong> Tatsache, dass diese Haltungen in <strong>der</strong> eigenen Gesellschaft entstehen o<strong>der</strong> aktualisiert werden<br />
und hier Anknüpfungspunkte finden. In dieser ausgrenzenden Form <strong>der</strong> Problematisierung zeigt sich ein koloniales<br />
Muster. Es wird ein Wissen über an<strong>der</strong>e produziert, über <strong>der</strong>en Defizite und ihren Mangel an Aufklärung,<br />
gegenüber dem man sich selbst als fortschrittlich betrachten kann.“<br />
443 Barbara Schäuble, Albert Scherr, Antisemitismus in heterogenen Jugendszenen, in: Fechler/Kößler/Messerschmidt/Schäuble<br />
(Hg.), Neue Judenfeindschaft?, S. 75.<br />
146