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ICOM International Council of Museums - International Institute for ...

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darzustellen. Aber selbst bei gutem Willen kann ein solches Unternehmen auch schondaran scheitern, dass keine Objekte mehr vorhanden sind. Man wollte nach einem(politischen) Umschwung nichts mehr mit der verhassten Vergangenheit zu tun habenund hat sie deshalb im wörtlichen Sinne weggeworfen.Zwei gelungene Gegenbeispiele im grossen Zusammenhang des Zerfalls desKommunismus seien exemplarisch erwähnt. In vielen Städten wurden Lenin- undStalinstatuen als überflüssig abmontiert und meistens weggeworfen. Aber zum Glücknicht überall! In Narva (Estland) wurde Lenin aus der Stadt auf die Hermanns-Festedirekt am gleichnamigen Grenzfluss (das heisst an der neuen EU-Aussengrenze!) mitBlick und erhobener Faust nach Osten nicht ohne leise Ironie verbracht. Und in Cēsis(Lettland), einer alten deutschen Stadtgründung, wurde Lenin vom Hauptplatz in einenBretterverschlag im Park der Ordensburg verbracht, wo er – nun liegend – wie in einem<strong>of</strong>fenen Grab besichtigt werden kann. Daneben steht ein Schild mit Fotografien, dasdie Überführung dokumentiert. Ungeliebte Vergangenheit wird hier nicht einfachweggeworfen, sondern in kritischer Distanz und ohne Angst vor der Geschichteausgestellt.Im Zusammenhang mit der Darstellung von Geschichte – der glorifizierten wie derungeliebten – stellt sich die Frage der Repräsentativität. Sind die in Museen gefeiertenNationalhelden wirklich für die ganze Bevölkerung so heldenhaft? Ist dieverschwiegene Vergangenheit wirklich für alle vergessenswert? Ich plädiere für einGeschichtsmuseum, das alle Zeugen der Vergangenheit sammelt und dokumentiert.Und wenn die Zeit für eine Darstellung auch der dunklen Seiten noch nicht reif ist, sostehen wenigstens die Objekte für zukünftige und vielleicht weniger belasteteGenerationen zur Verfügung. Historische Ausstellungen sollten versuchen, so objektivwie möglich – wohl anerkennend, dass Objektivität aus den eingangs genanntenGründen unmöglich ist – über die behandelten Epochen zu in<strong>for</strong>mieren.Gerade weil Geschichte immer ein Konstrukt der Gegenwart ist, sind auchverschiedene und die Vergangenheit relativierende Darstellungen zu wünschen. Esscheint mir unbedingt nötig, von der absoluten, dozierenden Haltung wegzukommen.Und dies nicht nur bei umstrittenen Themen, sondern auch bei "ungefährlichen"Ausstellungsthemen. Wieviele europäische Museen zeigen zum Beispiel die Römerzeitin kritikloser, affirmativer und absoluter Weise! Unsere Stadt zur Römerzeit, genausowar es und nicht anders! Verliert denn das Museum an Kredibilität, wenn gesagt wird,dass das präsentierte Geschichtsbild aufgrund der bekannten Objekte, der schriftlichenDokumente und natürlich der stringent angewandten Methoden derGeschichtswissenschaft einen hohen Wahrscheinlichkeitswert hat? Oder wenn es ineiner Ausstellung auch eine andere, ebenso fundierte Interpretation aufzeigt?"Relativierung" scheint mir hier ein Schlüsselbegriff zu sein. Das Alimentarium,Museum der Ernährung, in Vevey (Schweiz) hat dies im Hinblick auf dieDarstellungsmöglichkeiten des Mediums Ausstellung und unter Benützungverschiedener Ausstellungssprachen im Jahre 1991 versucht. Damals wurden 700Jahre Schweizerische Eidgenossenschaft gefeiert, für die Politiker eine wichtige,identitätsstiftende Veranstaltung, für die Historiker eher Anlass zu kritischerAuseinandersetzung. Dem Thema des <strong>Museums</strong> gemäss wurden sieben kleineAusstellungen gleichzeitig präsentiert, die jeweils anders mit dem Objekt umgingen,und die alle den Anspruch auf Darstellung der Ernährungsgeschichte seit demSpätmittelalter erhoben. Dadurch wurde jedoch die Vergangenheitsdarstellungrelativiert. 14 Ein Beispiel führte auch die Ästhetisierung der Geschichte vor, dass heisst14 Schärer, Martin R.: 700 Jahre auf dem Tisch. Oder: Die 7 ausgestellten Ausstellungen. Ernährung in derSchweiz vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart und Möglichkeiten, Ernährungsgeschichte im Museum50

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