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2004. évi 2. szám - Jura - Pécsi Tudományegyetem

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Heinrich Scholler: Der gleiche Zugang zu den Gerichten<br />

115<br />

„Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der<br />

Gleichberechtigung von Frauen und Männern und<br />

wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin,„<br />

hinzugefügt worden.<br />

<strong>2.</strong> Die Waffengleichheit<br />

Auch ein weiterer Gesichtspunkt hat den Gleichheitssatz<br />

ausgedehnt auf die faktische Gleichheit.<br />

Aus den arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen<br />

und den arbeitsgerichtlichen Verfahren entwickelte<br />

sich das Postulat der „Waffengleichheit„. Es besagt,<br />

dass die Sozialpartner insbesondere Arbeitgeber<br />

und Arbeit nehmervereinigungen im Arbeitskampf<br />

außerhalb des Gerichtes wie in der gerichtlichen<br />

und Arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung mit<br />

gleich starken Waffen kämpfen sollen. Ihnen soll<br />

die Möglichkeit vom Recht eingeräumt werden, mit<br />

gleichen gerichtlichen rechtlichen und politischen<br />

Waffen zu kämpfen. Damit wurde auch die Gleichheit<br />

des Zugangs zu den Gerichten besonders hervorgehoben.<br />

In Deutschland gibt es darüber hinaus<br />

für arbeitsrechtliche Streitigkeiten eine besondere<br />

arbeitsgerichtliche Gerichtsbarkeit, die über drei<br />

Instanzen – Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht<br />

und Bundesarbeitsgericht – organisiert ist. Schon<br />

die Herausnahme der Arbeitsgerichtsbarkeit aus<br />

der ordentlichen und Zivilgerichtsbarkeit war eine<br />

Betonung der Waffengleichheit und der Versuch,<br />

gleichen Zugang zu den Gerichten den Sozialpartnern,<br />

den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern zu<br />

garantieren.<br />

In der Gestalt der Waffengleichheit tritt uns die<br />

Chancengleichheit ausschließlich in ihrem funktionalen<br />

Teilinhalt entgegen. Denn die Waffen, deren<br />

Anwendung chancengleich zugesichert wird, sind<br />

nicht Bedingungen, Interessen oder Reflexe, sondern<br />

ausgeprägte abgegrenzte Rechte. Gerade das Prozessrecht<br />

ist der Sitz dieser funktional verstandenen<br />

Chancengleichheit, wie am Beispiel der Rechtsmitteleinlegung<br />

dargetan werden soll. Der Prozessgang<br />

als Umformung des Waffenganges hat die Idee<br />

der Waffen- und Chancengleichheit am klarsten<br />

beibehalten. Zudem steht die prozessuale Chancengleichheit<br />

unter dem Gesetz der kleinen Zahl, da vor<br />

dem neutralen Richter nur zwei Gruppen handelnd<br />

auftreten. Dennoch finden wir auch im geltenden<br />

Prozessrecht unvollkommene Einrichtungen, die den<br />

Gedanken der Prozessgleichheit oder prozessualen<br />

Chancengleichheit nicht voll verwirklichen. 1<br />

Prof. Dr. Jur. Dr. Jur. H. C. Heinrich Scholler<br />

München<br />

Der gleiche Zugang<br />

zu den Gerichten<br />

I. Die Weiterentwicklung<br />

des Gleichheitssatzes vom<br />

Willkürverbot zu einem Gebot<br />

der Chancengleichheit<br />

1. Die Wandlungen des Gleichheitssatzes<br />

Vom formalen Standpunkt aus konnte man sagen,<br />

dass auch die arme Partei das Recht auf Zugang<br />

zu den Gerichten in gleicher Weise hat wie die<br />

vermögende. Niemand hindert die arme Partei,<br />

den Weg zu den Gerichten zu beschreiten, wenn<br />

sie sich auf irgendeine Weise Geld verschaffen<br />

kann, sei es durch ein Darlehen oder sei es durch<br />

irgend eine öffentliche Spendenaktion. Man spricht<br />

daher auch vom Inhalt des Gleichheitssatzes als<br />

dem Gebot der Rechtsgleichheit. Dieses Gebot der<br />

Rechtsgleichheit besagte nur, dass arm und reich<br />

gleiche Rechte haben und dass die Unfähigkeit<br />

der armen Partei, Gerichts- und Anwaltskosten zu<br />

bezahlen, nur eine Ungleichheit tatsächlicher Art sei.<br />

Die Rechtsgleichheit würde aber niemals verlangen,<br />

dass auch gleiche Tatsachen geschaffen würden.<br />

Dennoch entwickelte sich die Forderung nach einer<br />

égalité en fait, also nach der Gleichheit der sozialen<br />

Tatsachen besonders im Hinblick auf die ungleichen<br />

Vermögensverhältnisse innerhalb der Gesellschaft.<br />

Wenn das Grundgesetz in Art. 6 Abs. 5 davon spricht,<br />

dass die Bedingungen der nicht ehelichen Kinder<br />

denen der ehelichen gleichgestellt werden müssen,<br />

so wird hier nicht nur eine Gleichheit der Rechte,<br />

sondern wohl darüber hinaus auch eine Gleichheit<br />

der tatsächlichen Verhältnisse gefordert. Dies ergibt<br />

sich aus dem Wort: „Gleichheit der Bedingungen„.<br />

Diese gleiche Wendung zur Tatsachengleichheit hat<br />

sich auch auf dem Gebiet der Gleichheit von Mann<br />

und Frau vollzogen. Der Grundsatz der Gleichheit<br />

der Geschlechter war ursprünglich in Art. 3 Abs. 2<br />

GG nur als Rechtsgleichheit enthalten. Durch eine<br />

Novellierung der Verfassung ist aber nunmehr<br />

auch die tatsächliche Gleichheit mit den Worten<br />

JURA 2004/<strong>2.</strong>

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