2004. évi 2. szám - Jura - Pécsi Tudományegyetem
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angesehen wird (allg. Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts).<br />
Dem steht nicht entgegen, dass<br />
Art. 6 der EMRK noch nicht geändert oder ergänzt<br />
worden ist. Als Voraussetzungen bestehen nach Art.<br />
6 EMRK folgende Forderungen: a/ as Vorhandensein<br />
eines unabhängigen Gerichtes (materieller Gerichtsbegriff),<br />
b/ Unabhängigkeit und Unparteilichkeit<br />
des entscheidenden Gerichtes. Diese Frage könnte<br />
sich hinsichtlich des Problems der Besetzung ohne<br />
gerichtliche Bestimmung besonders für den französischen<br />
Staatsrat ergeben. Das gleiche gilt für den<br />
italienischen Staatsrat aber nicht für das deutsche<br />
Bundesverwaltungsgericht. Das gilt vor allem deswegen,<br />
weil die Mitglieder dieser Gerichtsbarkeiten<br />
sowohl an der gesetzlichen Beratung und Abstimmung<br />
als auch an der gerichtlichen Entscheidung<br />
mitwirken können.<br />
3. Der Anspruch auf ein faires Verfahren umfasst<br />
auch gerade den Anspruch auf den Zugang zu einem<br />
Gericht. Dies bedeutet allerdings, dass nur ein Anspruch<br />
auf eine Instanz besteht, so dass es kein Recht<br />
auf eine Beschwerde, Berufung oder Revision nach<br />
der Bestimmung des Art. 6 EMRK gibt. Allgemeine<br />
Zugangs- und Fristbestimmungen sind mit Art. 6<br />
ebenfalls vereinbart. Das Recht auf gleichen Zugang<br />
zu den Gerichten als Teil des Anspruches auf ein<br />
faires Verfahren verlangt auch, dass dem Einzelnen<br />
der Zugang nicht aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich<br />
ist. Die sogenannte Prozess kosten hilfe ist<br />
nur eine Form, den Zugang zu ermöglichen. Daneben<br />
bestehen andere Formen wie die wirtschaftlich<br />
günstige Vertretungsregelung oder die Beratung<br />
durch eigene Beratungsstellen. Dies bedeutet eben,<br />
dass hier der gleiche Zugang die gleiche tatsächliche<br />
Möglichkeit ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen<br />
Verhältnisse des Klägers eingeräumt wird. Der<br />
Grundsatz der Öffentlichkeit und Mündlichkeit des<br />
Verfahrens bedeutet, dass die Verfahren genügende<br />
Transparenz also Durchschaubarkeit für die Partei<br />
haben. Daneben wird auch gefordert, dass sie kontradiktorisch<br />
ausgestaltet sind, worunter man vor allem<br />
die Waffengleichheit versteht. Dieser Grundsatz der<br />
Waffengleichheit bedeutet, dass im Verfahren jedem<br />
ausreichende Möglichkeiten der Stellungnahme<br />
zu allen entscheidungsrelevanten rechtlichen und<br />
tatsächlichen Gesichtspunkten dieses Verfahrens<br />
gewährt wird. Dazu gehört auch, dass der Partei<br />
Gelegenheit zur Beantwortung des Vortrages der<br />
anderen Seite gegeben sein muss. Auch müssen alle<br />
amtlichen Vorgänge allen Gerichtsparteien rechtzeitig<br />
übermittelt werden, so dass sie dazu Stellung<br />
nehmen können. Der Betroffene muss Fragen stellen<br />
dürfen, insbesondere an alle Zeugen und er muss<br />
Heinrich Scholler: Der gleiche Zugang zu den Gerichten<br />
sich während des Verfahrens mit Fragen auch an das<br />
Gericht wenden dürfen. Auf diesen Grundsätzen der<br />
Waffengleichheit hat in letzter Zeit der Schwerpunkt<br />
der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes<br />
für Menschenrechte und des EuGH gelegen. Verletzungen<br />
dieses Grundsatzes der Waffengleichheit<br />
wurden z. B. darin gesehen, dass in Belgien den<br />
Betroffenen keine Stellungnahme eingeräumt wurde<br />
zum Vortrag des Staatsanwaltes oder dass in Frankreich<br />
die Stellungnahme des Staatsanwaltes nur dem<br />
Anwalt, nicht aber dem Betroffenen unmittelbar,<br />
zugeleitet wurde.<br />
4. Weitere Teilinhalte des Grundsatzes eines fairen<br />
Verfahrens sind folgende Ansprüche: das Recht<br />
auf rechtliches Gehör, das Recht auf persönliche<br />
Teilnahme am Verfahren, anspruch auf Begründung<br />
der Entscheidung, keine überlange Verfahrensdauer.<br />
Hier sind auch gerade vom Gerichtshof gegenüber<br />
deutschen Gerichten Verfahrensverletzungen<br />
festgestellt worden. Dem ist auch der EuGH gefolgt<br />
und hat eine Verfahrensdauer von fünf Jahren und<br />
sechs Monaten als Verletzung angesehen. Allerdings<br />
gilt das nicht absolut, denn maßgebend sind immer<br />
die Umstände des einzelnen Falles, so dass auch<br />
längere Verfahrensabläufe dem Grundsatz des fairen<br />
Prozesses noch entsprechen können. Ein wichtiges<br />
Problem hat die Frage dargestellt, ob Auskunftspflichten<br />
betroffener Unternehmen hinsichtlich<br />
der Kartellsituation gegenüber den Behörden als<br />
Selbstbelastungen durch Art. 6 ausgeschlossen seien.<br />
5. Allerdings ist Art. 6 im Gemeinschaftsrecht<br />
nur Erkenntnisquelle, nicht Rechtsquelle für das Gemeinschaftsrecht<br />
und den europäischen Gerichtshof.<br />
Auch unterscheiden sich beide Rechtskreise hinsichtlich<br />
der Durchsetzung. Art. 6 der EMRK kann nur<br />
zu einem Schadenersatzanspruch führen, während<br />
die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes<br />
in Luxemburg berechtigt ist, die verletzende nationale<br />
Rechtsnorm für unwirksam zu erklären. Der<br />
Anspruch auf einen fairen Prozess, der auch den<br />
Anspruch auf gleichen Zugang zu den Gerichten<br />
zentral mit umfasst ist somit ein Anspruch, der sich<br />
im Kern auf Rechtsvorschriften in Europa, aber auch<br />
auf solche des nationalen Rechtes zurückführen lässt.<br />
Art. 6 der Konvention ist die Vorschrift, die bisher<br />
am meisten als verletzt gerügt wurde. Sie enthält eine<br />
Reihe von Detailvorschriften die sich aber zunächst<br />
hauptsächlich auf das Strafverfahren beziehen. Nach<br />
der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes<br />
für Menschenrechte sind diese Vorschriftteile aber<br />
auch außerhalb des Strafverfahrens anwendbar, so<br />
insbesondere im Verwaltungs gerichtsprozess. Diese<br />
einzelnen Normierungen in Art. 6 sind nur Ausdruck<br />
eines allgemein umfassenden Rechtsanspruches auf<br />
JURA 2004/<strong>2.</strong>