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2004. évi 2. szám - Jura - Pécsi Tudományegyetem

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Heinrich Scholler: Der gleiche Zugang zu den Gerichten<br />

effizienten und fairen Prozess, der allen gleichmäßig<br />

zugänglich sein muss. Also kann man von einem<br />

Anspruch auf allgemeinen effizienten Zugang zu den<br />

Gerichten als durch Art. 6 garantiert sprechen. Dieser<br />

Anspruch zusammen mit anderen Ansprüchen, die<br />

sich auf Art. 6 beziehen und auf ihm beruhen können<br />

als gemeineuropäisches Recht auf einen fairen und<br />

effizienten Prozess angesehen werden. Sie sollen<br />

den Zugang zu einem neutralen und objektiv entscheidenden<br />

Gericht sichern. Auch das europäische<br />

Gemein schaftsrecht, das sich ja unabhängig von der<br />

Menschenrechtskonvention entwickelt hat, basiert<br />

ebenfalls auf dem Grundsatz der Garantie eines<br />

allg. umfassenden Rechtes auf ein effizientes und<br />

faires Verfahren. Es beruht auf den gemeinsamen<br />

Ver fassungs traditionen der Mitgliedsstaaten und der<br />

entsprechenden Gewährleistung der europäischen<br />

Menschenrechtskonvention also Art. 6. Sie ist also<br />

ein allgemeines Gemeinschaftsrecht mit Gemeinschaftsverfassungsrang.<br />

Die Unterschiede dieses<br />

gemeineuropäischen Gemeinschaftsgrundrechtes<br />

zum Art. 6 bestehen aber in zwei Hinsichten.<br />

Einmal ist das europäische Grundrecht auf<br />

ein faires Verfahren von Haus aus nicht auf strafrechtliche<br />

Verfahren beschränkt und zum zweiten<br />

kommt diesem gemeinschaftlichen Grundrecht auf<br />

ein faires Verfahren Vorrang vor allen Rechten der<br />

Mitgliedstaaten der Union zu. Demgegenüber ist der<br />

Rang der europäischen Grundrechte in der Konventionsurkunde<br />

in den einzelnen Staaten verschieden.<br />

In Österreich gelten sie als Verfassungsnormen, in<br />

Frankreich kommt ihnen ein höherer Rang als den<br />

einfachen Gesetzen zu. In Deutschland und Italien<br />

gelten Art. 6 und die anderen Bestimmungen der<br />

europäischen Menschenrechtskonvention nur mit<br />

dem Rang eines einfachen Gesetzes. Demgegenüber<br />

hat die europäische Grundrechtscharta den Rang von<br />

europäischem Gemeinschaftsrecht auf der Ebene der<br />

Verfassung und damit Vorrang vor den nationalen<br />

Rechtsordnungen. Die Charta geht zurück auf die<br />

Arbeit der europäischen Verfassungskonvention unter<br />

der Leitung des deutschen Ex-Bundespräsidenten<br />

Roman Herzog.<br />

Von den acht erwähnten Rechts- oder Erkenntnisquellen<br />

für die europäische Grundrechtecharta<br />

sind für uns vier von Bedeutung. Die gemeinsame<br />

europäische Tradition, die EMRK, die Entscheidungspraxis<br />

der beiden europäischen Gerichtshöfe<br />

in Straßburg und Luxemburg. Auf sie wird auch in<br />

der Präambel zur europäischen Grundrechtecharta<br />

ausdrücklich hingewiesen. Von besonderer Bedeutung<br />

ist die europäische Verfassungstradition, die<br />

sich vor allem auch in der Spruchpraxis der beiden<br />

europäischen Gerichtshöfe niederschlägt. Vor allem<br />

hat der europäische Gerichtshof in Luxemburg sich<br />

119<br />

wiederholt auf diese Tradition berufen, wenn er die<br />

Grundprinzipien der europäischen Union entwickelt.<br />

Zwar findet sich das hier diskutierte Rechtsgut, der<br />

freie und gleiche Zugang zu den Gerichten in Art.<br />

6 EMRK garantiert, doch kann diese Bestimmung<br />

vom europäischen Gerichtshof in Luxemburg nicht<br />

unmittelbar angewandt werden, da die EU nicht zu<br />

den 45 Unterzeichnerstaaten der Konvention gehört.<br />

Deshalb ist es für die Rechtsprechungs- und Spruchpraxis<br />

von Bedeutung, ob hier auf die europäische<br />

Verfassungstradition zurückgegriffen werden kann.<br />

Weiterhin muss die Frage aufgeworfen werden, ob<br />

auch Art. 47 der europäischen Grundrechtecharta<br />

nicht ein Niederschlag der europäischen Verfassungs<br />

tradition ist, so dass er als Interpretationshilfe<br />

auch bei der Rechtsprechung in Straßburg herangezogen<br />

werden kann.<br />

Eine europäische Verfassungstradition würde<br />

eine rechtsvergleichende Studie der Entwicklung<br />

der einzelnen Verfassungsinstitute vor allem der<br />

Grundrechte voraussetzen, was hier nicht geleistet<br />

werden kann. Ich beschränke mich daher auch<br />

beim Thema meines Beitrages entsprechend auf<br />

die deutsche Rechtsentwicklung, wie bereits oben<br />

ausgeführt, die aber für unser Problem nicht uninteressant<br />

ist. Dabei ist vorauszuschicken, dass neben<br />

der belgischen Verfassung von 1831 die Grundrechtserklärung<br />

der Frankfurter Paulskirchenverfassung<br />

von 1849 den größten grundrechtlichen Einfluss<br />

auf die Diskussion des Jahrhunderts gehabt haben.<br />

Hinzu kamen die großen Prozessgesetze der Zivilprozessordnung<br />

und der Strafprozessordnung. Die<br />

deutsche Doktrin sprach daher von der Einräumung<br />

der „Justizgewährgarantie„, worunter man das<br />

allg. anerkannte Recht nicht nur auf den Zugang<br />

zu den Gerichten sondern auch auf die gerichtliche<br />

Entscheidung ansah. Interessant ist nun, dass der<br />

Begriff der Garantie des Zugangs zu den Gerichten<br />

mehr auf den Beginn des Prozesses, der Begriff der<br />

Justizgewähr leistung mehr auf den Abschluss des<br />

Prozesses abzielt. Ein dritter Gedanke stammt aus<br />

dem englischen Recht und zwar aus der Garantie<br />

des „fair trial„, der den Lauf des Prozesses im Auge<br />

hat. „Fair trial„ wird von der Grundrechtscharta<br />

als „effektiver Prozess„ übersetzt, was den Begriff<br />

der Fairness nicht ganz oder nur zum Teil abdeckt.<br />

Denn „fair trial„ bedeutet vor allem Waffengleichheit<br />

während des Verfahrens, so dass beide Parteien die<br />

gleichen Chancen vor Gericht haben. Art. 47 enthält<br />

auch bedeutende Elemente dieses Gedankens „fair<br />

trial„, denn nicht nur der Begriff der Effektivität weist<br />

darauf hin, sondern das Recht sich zu beraten, zu<br />

verteidigen und vertreten zu lassen sowie vor allem<br />

JURA 2004/<strong>2.</strong>

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