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2004. évi 2. szám - Jura - Pécsi Tudományegyetem

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118<br />

die Notwendigkeit der Einräumung des Prozesskostenhilferechtes.<br />

Dem letzteren Begriff ist sehr früh<br />

im deutschen Recht Rechnung getragen worden,<br />

wenn auch dieses Institut unter dem Namen „Armenrecht”<br />

2 lief. Heute ist dieses Prozesskostenhilferecht<br />

in der ZPO § 114 ff reformiert worden und den<br />

modernen sozialstaatlichen Ansprüchen angepasst.<br />

Es bildet ein wichtiges Element der Chancen- und<br />

Waffengleichheit. Im deutschen Recht hat sich aber<br />

auch noch der Gedanke der kostenfreien Klage und<br />

der Popularklage erhalten, zwei Gedanken die den<br />

Zugang zu den Gerichten wesentlich erleichtern.<br />

Die aus dem römischen Recht stammende Popularklage<br />

– jeder Bürger (quivis ex populo) kann klagen<br />

ohne verletzt sein zu müssen – besteht heute noch<br />

im bayerischen. Verfassungsrecht als Popularklage<br />

gegen Landesgesetze (Art. 98 S. 4 BV) fort.<br />

Ähnlich wie die Popularklage nach dem bayerischen<br />

Recht – sie besteht auch im ungarischen Verfassungsrecht<br />

– ist auch die Verfassungsbeschwerde<br />

nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a und b kostenfrei. Die<br />

europäische Grundrechtecharta hat allerdings die<br />

Verbandsklage, die mit der Popularklage vergleichbar<br />

erscheint, nicht übernommen. Im Sinne der Waffen-<br />

und Chancengleichheit sind somit kostenfreie<br />

Verfassungsbeschwerde, Popularklage oder Verbands<br />

klage wichtige Instrumente geworden. Wenn<br />

auch die Grundrechtecharta keine Verbandsklage<br />

kennt, so ist doch Art. 47 der Charta ein wesentlicher<br />

Fortschritt gegenüber der Regelung des Art. 6<br />

EMRK. Der Grundrechtsschutz, der sowohl von Art.<br />

6 EMRK als auch von Art. 47 der Charta angesprochen<br />

wird, gehört zu den wichtigsten freiheitlichen<br />

Bereichen, die von den Urkunden geschützt werden.<br />

Eine deutsche Kommentierung umfasst 160 Seiten<br />

in Bezug auf Art. 6 EMRK 3 . Zum entsprechenden<br />

Art. 47 der Charta liegen noch keine ausführlichen<br />

Kommentierungen vor, doch ist zu erwarten, dass<br />

auch hier die Kommentierung einen großen Umfang<br />

einnehmen wird. Die Erweiterung der Regelungssachverhalte,<br />

die in Art. 47 gegenüber Art. 6 EMRK<br />

aufgenommen wurden, ist beachtlich. Wie aktuell<br />

eine solche Erweiterung ist zeigt sich am Merkmal<br />

der Gesetzmäßigkeit der Einrichtung unabhängiger<br />

und neutraler Gerichte. Selbst hier ist die Charta noch<br />

nicht eindeutig genug, denn sie sagt nicht, dass die<br />

Gerichte bereits vor der Begehung der Handlung errichtet<br />

sein müssen, welche sie aburteilen sollen. Dies<br />

würde genau dem Grundsatz entsprechen, den der<br />

deutsche Jurist Feuerbach mit dem Satz nulla poena<br />

sine lege 4 ausgedrückt hat und der nunmehr in Art.<br />

49 seine Verankerung gefunden hat. Dieser Grundsatz<br />

gilt nicht im Common Law, worauf bereits die<br />

Nürnberger Prozesse deutlich hingewiesen haben.<br />

Es ist evident, dass hier ein großer Unterschied<br />

zwischen der angelsächsischen und der kontinentaleuropäischen<br />

Rechtsauffassung klafft. Um ad hoc-<br />

Prozesse politischer Art zu vermeiden, muss größter<br />

Wert darauf gelegt werden, dass die Bestimmung des<br />

Art. 47 der Charta so ausgelegt wird, dass Verhandlungen,<br />

die vor der Errichtung der entsprechenden<br />

Gerichtsbarkeit vorgenommen wurden, nicht unter<br />

die Kompetenz des Gerichtes fallen können. Hier<br />

zeigt sich, dass der so positiv aufgenommene Begriff<br />

des „fair trial„ durchaus zu Problemen führen<br />

kann, weil er in Kontinentaleuropa in dieser weiten<br />

Bedeutung auf größte Bedenken stößt, da hier das<br />

Gesetz und nicht der Richterspruch ausschlaggebend<br />

ist für das Prozedere. Man darf hier auch nicht mit<br />

dem Begriff der „Natur der Sache„ argumentieren<br />

und behaupten, dass im Sachverhalt selbst gleichsam<br />

naturrechtlich auch die Strafgerechtigkeit und die<br />

Strafbarkeit einer Handlung als „Rule of the Case„<br />

beschlossen liegt. Die Idee der Waffen- und Chancengleichheit<br />

wäre damit auch aufgegeben, weil<br />

immer nur die eine Seite, die siegreiche, in der Lage<br />

wäre ein Gericht zur Aburteilung des unterlegenen<br />

Teiles durch ein eigenes aufgezwungenes Gesetz<br />

zu errichten. Allerdings bringt Art. 49 Abs. 2 einen<br />

Gedanken ein, der vom Common Law angeregt den<br />

Grundsatz nulla poena relativieren könnte. Denn<br />

nach dieser Bestimmung soll eine Strafbarkeit auch<br />

dann ohne das Vorliegen einer lex möglich sein,<br />

wenn die Handlung oder Unterlassung zur Zeit ihrer<br />

Begehung nach den allgemeinen, von der Gesamtheit<br />

der Nationen anerkannten Grundsätzen strafbar war.<br />

Dabei bleibt nämlich offen, welche Rechtsnatur diese<br />

allgemeinen Grundsätze haben sollen.<br />

Abschließend soll bemerkt werden, dass die Regelung<br />

des Art 47 der europäischen Grundrechtecharta<br />

auch heute schon von rechtlicher Relevanz ist, auch<br />

wenn die Charta selbst noch nicht als bindendes<br />

europäisches Verfassungsgesetz angesehen werden<br />

kann. Denn einmal stellt sich diese Regelung wie die<br />

ganze Charta als Selbstbindung der europäischen<br />

Organe dar und bewirkt die sog. Beweisumkehr<br />

in jedem Prozess, in dem sich der Kläger auf die<br />

Grundrechte der Charta berufen kann. Sieht man<br />

aber im Art. 47 schon heute den Ausdruck eines<br />

gemeinschaftlich-europäischen Verfassungsrechtes,<br />

dann ist er jetzt schon als verbindliches europäisches<br />

Recht anzusehen.<br />

Literatur<br />

Heinrich Scholler: Der gleiche Zugang zu den Gerichten<br />

Alber, Siegbert – Widmaier, Ulrich: Die EU-Charta der<br />

Grundrechte und ihre Auswirkungen auf die Rechtsprechung,<br />

EuGRZ 2000. S. 497. ff.<br />

Dröge, Cordula – Marauhn, Thilo: Soziale Grundrechte in<br />

der Europäischen Grundrechtscharta – aus der Perspektive der<br />

EMRK, in: Bundesministerium für Arbeit und Sozial ordnung,<br />

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales<br />

Sozialrecht, Akademie der Diözese Rottenburg Stuttgart<br />

JURA 2004/<strong>2.</strong>

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