Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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Rätedemokratie aus Russland – so die damaligen Akteure (vgl. z. B. S. 84), darunter<br />
Rosa Luxemburg auf dem Gründungsparteitag der KPD: <strong>Die</strong> Bildung der Arbeiter-<br />
und Soldatenräte sei das Stichwort der deutschen Revolution – „und wir sollen<br />
es nie vergessen, wenn man uns mit den Verleumdungen gegen die russischen Bolschewisten<br />
kommt, darauf zu antworten: Wo habt Ihr das Abc Eurer heutigen Revolution<br />
gelernt? Von den Russen habt Ihr’s geholt: die Arbeiter- und Soldatenräte<br />
(Zustimmung)... <strong>Die</strong> russische Revolution war es, die die ersten Losungen für die<br />
Weltrevolution ausgegeben hat.“ 1 Das bleibt auch 90 Jahre später wahr.<br />
2. Der oben festgestellte ausgeprägte soziale und basisdemokratische Grundzug<br />
der (angesichts ihrer Ergebnisse) bürgerlich-demokratischen Revolution <strong>1918</strong>/<strong>1919</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> reflektierte das damalige Potenzial (Chance) für e<strong>in</strong>en neuen Typus<br />
der Demokratie – der sozialen Demokratie, dessen Realisierung die Brüche der deutschen<br />
– und damit europäischen – Geschichte 1933, 1938, 1939-1945 eventuell vermieden<br />
hätte. Aber dieses Potenzial hat sich nicht realisiert. Und so bleibt am Ende,<br />
dass es doch die Oktoberrevolution von 1917 <strong>in</strong> Russland und ihre Folgen waren, die<br />
das europäische und Weltgeschehen im 20. Jahrhundert – wenn auch nicht im S<strong>in</strong>ne<br />
ihrer damaligen maßgebenden Akteure – weitgehend bestimmt haben.<br />
<strong>Die</strong> hier vorgelegten Beiträge enthalten e<strong>in</strong>e Fülle bisher nicht oder wenig bekannter<br />
Tatsachen und Vorgänge der Revolutionszeit <strong>1918</strong>/<strong>1919</strong>, auch Präzisierung<br />
bekannter Fakten (vgl. Zeitpunkt, Ort, Ablauf und Zusammensetzung der<br />
Oktober-Konferenz der Spartakusgruppe <strong>1918</strong>, S. 68ff.) sowie Anregungen für<br />
weitere Revolutionsforschungen, darunter (<strong>in</strong> Anlehnung an Clara Zetk<strong>in</strong>, vgl. S.<br />
68/69) über die soziale (kollektive) „Psyche als geschichtlicher Faktor“.<br />
Für die sozialistisch orientierte L<strong>in</strong>ke bleiben die Erfahrungen der Revolution<br />
<strong>1918</strong>/<strong>1919</strong> von wesentlichem Interesse: Der Durchbruch zu demokratischen und sozialen<br />
Rechten war Ergebnis der Bewegung Hunderttausender, ja Millionen von „unten“,<br />
der sozialen Gewalt „der Straße“; es waren <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie demokratische, mit sozialen<br />
Anliegen verbundene Forderungen, die die Massen auf die Straßen trieben; die<br />
Ideen der Demokratisierung von Staat und Wirtschaft materialisierten sich <strong>in</strong> der Rätebewegung<br />
und ihrer Forderung nach Sozialisierung, nach Wirtschaftsdemokratie; es<br />
war – neben der ausschlaggebenden Waffengewalt der Konterrevolution – nicht zuletzt<br />
die Zersplitterung der sozialistisch orientierten L<strong>in</strong>ken, die e<strong>in</strong> Weitertreiben der<br />
Revolution h<strong>in</strong> zur sozialen (sozialistischen) Demokratie beh<strong>in</strong>derte. Es hätte nicht unbed<strong>in</strong>gt<br />
„e<strong>in</strong>e revolutionäre Partei“ geben müssen – aber die (bewusste) E<strong>in</strong>heit des<br />
Handelns der verschiedenen l<strong>in</strong>ken Kräfte war geboten. Sie ist es heute auch.<br />
So bleibt das Studium der Revolution <strong>1918</strong>/<strong>1919</strong> e<strong>in</strong>e Quelle für das aktuelle<br />
Nachdenken über den weiteren Weg der L<strong>in</strong>ken. Denn heute steht immer noch<br />
wie <strong>1918</strong>/<strong>1919</strong> – neben der Verteidigung demokratischer Persönlichkeitsrechte –<br />
die Lösung der (alten) sozialen Frage auf der Tagesordnung.<br />
Ulla Plener<br />
1 Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke, Berl<strong>in</strong> 1974, S. 498.<br />
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