Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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an die militärische Führung abgebaut werden, die im eigenen Führungskreis<br />
Zweifel auslösten, zumal Ebert entscheidende Fragen aus eigener Machtvollkommenheit<br />
entschied und spätere Kritik daran harsch abwies. Sebastian Haffner<br />
zeichnete daher das Bild e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>bürgerlichen Politikers, der wie e<strong>in</strong> Handwerksmeister<br />
se<strong>in</strong>e Gesellen anraunzt, gegenüber vornehmer Kundschaft aber<br />
verb<strong>in</strong>dlich bis devot auftritt. 52 Es sei dah<strong>in</strong>gestellt, ob durch dieses treffend gezeichnete<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsbild (im wörtlichen S<strong>in</strong>ne) das Selbstverständnis Eberts<br />
als Politiker richtig wiedergegeben wird. Wahrsche<strong>in</strong>lich verstand er sich von dem<br />
Moment an, als er die Macht an sich gezogen hatte, als Sachwalter aller Deutschen<br />
und <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne schon vor der Wahl zum Reichspräsidenten nicht mehr als erster<br />
Mann der Arbeiterbewegung, sondern als erster Bürger <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Gerade<br />
dann ist aber danach zu fragen, ob er für diese selbst übernommene Verantwortung<br />
die Voraussetzungen mitbrachte. Zu solchen Voraussetzungen gehörten<br />
durchaus der Wille zur Macht und das Gespür für den Weg dah<strong>in</strong>. Wenn aber dabei<br />
die Perspektive unklar gesehen wurde und persönliche Animositäten, gar Hass<br />
e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielten, dann handelte es sich um e<strong>in</strong>en fehlgeleiteten Machtwillen.<br />
Hass war <strong>in</strong> beiden Flügeln der Revolution von Anfang an da. <strong>Die</strong> Verletzungen<br />
im Richtungsstreit bis 1914 und verstärkt seit dem Ausbrechen der M<strong>in</strong>derheit<br />
der Sozialdemokratie aus der Burg e<strong>in</strong>es nur sche<strong>in</strong>baren <strong>in</strong>neren Friedens<br />
mussten die Handlungen der Repräsentanten der Flügel bee<strong>in</strong>flussen. Rosa Luxemburgs<br />
Attacken gegen die Führer des rechten Flügels, besonders gegen Scheidemann,<br />
lassen solchen Hass erkennen. Aber wie sollte es nicht zu Hassgefühlen<br />
kommen, wenn der Fe<strong>in</strong>d im Inneren – und diesen erkannte Rosa Luxemburg<br />
lange vor Ausbruch der Revolution sehr klar – brutal auf sie e<strong>in</strong>schlug und dabei<br />
Unterstützung von ihren Gegnern, aber noch nicht direkten Fe<strong>in</strong>den (!) <strong>in</strong> der Arbeiterbewegung<br />
erhielt?<br />
Wenn wir verfolgen, wie mit diesem Hass <strong>in</strong> der Revolution umgegangen<br />
wurde, bleibt festzustellen: Der Hass mündete bei Spartakus und dann <strong>in</strong> der KPD<br />
nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gewaltpolitik, obwohl es dafür bei den L<strong>in</strong>ksradikalen Befürworter<br />
gab. Man könnte jetzt aber sagen, für e<strong>in</strong>e Gewaltpolitik ohne Wenn und Aber<br />
fehlten die Mittel, was zutrifft, aber nicht aus der Welt schafft, dass die Führer des<br />
Spartakusbundes auf Überzeugungsarbeit und Massendemonstrationen setzten.<br />
Das hätten die Führer der MSPD wenn schon nicht würdigen, so doch bei<br />
langjähriger Kenntnis der ihnen Gegenüberstehenden <strong>in</strong> Rechnung stellen sollen.<br />
Es gab im Verlauf der Revolution mehrfach Möglichkeiten zur Deeskalation zur<br />
rechten Zeit, so am 24. Dezember <strong>1918</strong> und nach dem 4. Januar <strong>1919</strong>. <strong>Die</strong>se wurden,<br />
da gibt es ke<strong>in</strong>en Zweifel, bewusst nicht genutzt. Hassgefühle und e<strong>in</strong>e<br />
falsche Beurteilung der seit dem Januar entfesselten Militärs leiteten weiter die<br />
Politik der mehrheitssozialistischen Führer. <strong>Die</strong> von der Soldateska verübten mas-<br />
52 Siehe Sebastian Haffner: <strong>Die</strong> deutsche Revolution, München 1991, S. 83.<br />
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