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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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chen Wandel widersprachen der Wirtschaftspolitik des<br />

Rates der Volksbeauftragten, der ganz im Zeichen se<strong>in</strong>er „Politik der Risikovermeidung“<br />

54 während der ersten Revolutionsphase vor massiven E<strong>in</strong>griffen <strong>in</strong> das<br />

Wirtschaftsleben zurückgeschreckt war. Stattdessen wurde der raschen Wiederbelebung<br />

der deutschen Wirtschaft Priorität e<strong>in</strong>geräumt und die Entscheidung über<br />

die künftige Wirtschaftsordnung auf e<strong>in</strong>en späteren Zeitpunkt verschoben. 55 <strong>Die</strong><br />

Übergangsregierung berief e<strong>in</strong>e Sozialisierungskommission unter dem Vorsitz<br />

von Karl Kautsky e<strong>in</strong>, die mit Vertretern von MSPD und USPD und namhaften<br />

Wissenschaftlern besetzt wurde und erste Planungsschritte skizzieren sollte. Damit<br />

konnte gegenüber der eigenen Anhängerschaft der Ansche<strong>in</strong> aufrecht erhalten<br />

werden, dass die Sozialisierung unmittelbar bevorstehe. Im Grunde war die Kommission<br />

jedoch nur e<strong>in</strong> Instrument, um die von der Mehrheitssozialdemokratie abgelehnte<br />

Sozialisierung auf die lange Bank zu schieben. Und als die Kommission<br />

schließlich im Februar mit Vorschlägen zur Sozialisierung des Kohlenbergbaus an<br />

die Öffentlichkeit trat, wurden diese von den sozialdemokratischen Regierungsmitgliedern<br />

schlicht übergangen. 56<br />

In ihrer Haltung wusste sich die MSPD-Spitze im E<strong>in</strong>verständnis mit der<br />

Führung der Freien Gewerkschaften und im Besonderen mit der Führung des Alten<br />

Verbandes. <strong>Die</strong> Gewerkschaften hatten schon am 15. November <strong>1918</strong> mit dem<br />

„St<strong>in</strong>nes-Legien-Abkommen“ mit den Unternehmern die Zentralarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

begründet. Das schlug e<strong>in</strong> neues Kapitel <strong>in</strong> der Geschichte der Arbeitsbeziehungen<br />

auf. Während den Arbeitgebern an der Verh<strong>in</strong>derung möglicher Sozialisierungen<br />

gelegen war, zielten die Gewerkschaften nach jahrzehntelangen<br />

Kämpfen im Zeichen des Klassenkampfs besonders auf die Anerkennung als legitime<br />

Vertretung der Arbeitnehmerschaft. Im Ergebnis e<strong>in</strong>igte man sich auf den von<br />

der Arbeiterschaft seit langem geforderten Achtstundentag, Tarifverträge und die<br />

E<strong>in</strong>setzung von Arbeiterausschüssen <strong>in</strong> Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten.<br />

Der gewerkschaftspolitische Erfolg bedeutete aber zugleich die Bestätigung der<br />

geltenden Eigentumsverhältnisse, so dass „künftig jeder weitere Vorstoß zu e<strong>in</strong>er<br />

Sozialisierung auf den überwiegenden Widerstand der Gewerkschaftsführungen“<br />

stieß. 57<br />

<strong>Die</strong> Sozialisierungsdebatte nahm im Januar <strong>1919</strong> an Fahrt zu. Der sozialdemokratische<br />

Wirtschaftsm<strong>in</strong>ister Rudolf Wissel plädierte für das <strong>in</strong> der Tradition des<br />

„Kriegssozialismus“ stehende Konzept der „Geme<strong>in</strong>wirtschaft“ – e<strong>in</strong> „System<br />

von Wirtschaftsräumen (…), <strong>in</strong> denen Unternehmer und Gewerkschaften als Produzenten<br />

zusammen mit dem Handel und den Verbrauchern unter der Moderation<br />

des Staates die Kontrolle über die Produktionsmittel ausüben sollten“. 58 Damit<br />

54 Rürup, E<strong>in</strong>leitung, S. 14.<br />

55 Siehe Abelshauser, Umsturz, S. XXIII.<br />

56 Siehe W<strong>in</strong>kler, Revolution, S. 191-193.<br />

57 Wirsch<strong>in</strong>g, Weimarer Republik, S. 6f.<br />

58 Abelshauser, Umsturz, S. XXIV.<br />

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