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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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fassen und die Gruppe <strong>in</strong> „Spartakusbund“ umzubenennen. E<strong>in</strong>e Mehrheit der Anwesenden<br />

sprach sich dafür aus, vorerst weiter <strong>in</strong> den Reihen der USPD zu wirken,<br />

um die sich an ihr orientierenden Arbeitermassen besser erreichen zu können.<br />

Der Spartakusbund solle aber <strong>in</strong> der USPD als geschlossene Propagandavere<strong>in</strong>igung<br />

auftreten und eigene Mitgliedskarten ausgeben. Als nächste Aufgaben wurden<br />

die Herausgabe e<strong>in</strong>er Tageszeitung, e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Wochenzeitung,<br />

e<strong>in</strong>er Jugendzeitung, e<strong>in</strong>er Frauenzeitung und e<strong>in</strong>es Blattes für Soldaten festgelegt.<br />

Der Spartakusbund wählte sich e<strong>in</strong>e dreizehnköpfige Zentrale, der Willi Budich,<br />

Hermann und Käte Duncker, Hugo Eberle<strong>in</strong>, Leo Jogiches, Paul Lange, Paul<br />

Levi, Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Franz Mehr<strong>in</strong>g, Ernst Meyer, Wilhelm<br />

Pieck und August Thalheimer angehörten.<br />

Luxemburg und Liebknecht sollten künftig die Redaktion der „Roten Fahne“<br />

leiten, Meyer als ihr Vertreter <strong>in</strong> der Redaktion arbeiten. Allerd<strong>in</strong>gs kam dem<br />

Spartakusbund am Tage se<strong>in</strong>er Gründung se<strong>in</strong> Zentralorgan vorerst abhanden.<br />

Daran er<strong>in</strong>nerte sich die Spartakus-Anhänger<strong>in</strong> Lotte Pulewka: „An diesem Tag<br />

bemerkte ich, dass das Gebäude des Lokal-Anzeigers nicht wie sonst von Soldaten<br />

des Arbeiter- und Soldatenrates bewacht war. Ich g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e alte Wendeltreppe<br />

h<strong>in</strong>auf über e<strong>in</strong>en Korridor, machte vorsichtig die Tür zum Konferenzsaal auf, und<br />

schon hatte mich jemand von <strong>in</strong>nen bei der Hand gepackt und <strong>in</strong> den Saal gezerrt.<br />

<strong>Die</strong>ser Konferenzsaal war fast völlig von e<strong>in</strong>em großen ovalen Tisch und den dazugehörigen<br />

Stühlen ausgefüllt. […] Im Saal war e<strong>in</strong> furchtbarer Lärm, alle Anwesenden<br />

schrien durche<strong>in</strong>ander. Ich sah auch unsere Genossen bei e<strong>in</strong>ander stehen:<br />

Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht (er war blaß, hager, übermüdet), Käte und<br />

Hermann Duncker, Dr. Ernst Meyer, Lotte Haenschel und andere. Außer ihnen<br />

waren im Saal e<strong>in</strong>ige vornehm gekleidete, gut genährte Herren und unsere Wache,<br />

die völlig betrunken war. Mit Hilfe von Ernst Meyer stieg e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e, zarte Frau<br />

auf den Tisch, sie hatte e<strong>in</strong> liebes, kluges Gesicht. Ich war erschüttert: Zum ersten<br />

Mal sah ich Rosa Luxemburg. […] Sie sagte: >[…] Ich empfehle, dass wir e<strong>in</strong>e<br />

Kommission bilden, der e<strong>in</strong> Mitglied der alten Redaktion, e<strong>in</strong>s der neuen und e<strong>in</strong><br />

Mann von der Wache angehören. Sie sollen zum Reichstag gehen, dort Klarheit<br />

schaffen und dann Bericht erstatten.< E<strong>in</strong>er der Soldaten ergriff die Initiative,<br />

stimmte Rosa Luxemburg zu und sagte zu Ernst Meyer: >Du fährst mit und die<br />

anderen Genossen von der >Roten Fahne< werden so lange e<strong>in</strong>gesperrt und bewacht.“<br />

91<br />

<strong>Die</strong>se Episode wirft e<strong>in</strong> bezeichnendes Bild auf die deutsche Revolution und<br />

auf die Schwäche des Spartakusbundes: Am Tag drei der Revolution kann e<strong>in</strong> politisch<br />

rechtsstehender Verleger mit Hilfe eigentlich „revolutionärer“ Soldaten die<br />

90 Zur Konferenz siehe Pieck, Er<strong>in</strong>nerungen, S. 437-439; siehe auch IML: <strong>Novemberrevolution</strong>, S. 173f. Zu<br />

Meyer im Excelsior siehe das Schreiben Mathilde Jacobs vom 12.11.18: „Sie [Rosa Luxemburg] arbeitet Tag<br />

und Nacht. Vorläufig wohnt sie im Hotel, und Karl [Liebknecht], Paul [Levi], Ernst [Meyer] auch.“ Nach Luban,<br />

Notwendigkeit, S. 450.<br />

91 SAPMO-BArch, SgY30/0738 (Lotte Pulewka), Bl.7f.<br />

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