Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
auf den Landtag, der zwei Tage später zusammentrat. Am 20. Februar <strong>1919</strong> wurde<br />
das „Gesetz über die vorläufige Verfassung für den Freistaat (Republik) Hessen“<br />
verabschiedet, schließlich am 12. Dezember <strong>1919</strong> mit der endgültigen Verfassung<br />
der „Volksstaat Hessen“ proklamiert. 22 Vom „Geist des Sozialismus“ fand sich <strong>in</strong><br />
ihr ke<strong>in</strong>e Spur. 23<br />
Nicht überall wurde diese Politik widerstandslos h<strong>in</strong>genommen. In Offenbach<br />
versuchten am 18. April <strong>1919</strong>, dem Karfreitag, mehrere tausend Menschen unter<br />
Führung der KPD, teilweise bewaffnet, den allgeme<strong>in</strong> verhassten „Volksrat“ abzusetzen.<br />
<strong>Die</strong> Volkswehr und das aus Darmstadt herbeigeholte Militär schossen <strong>in</strong><br />
die Menge. 16 Tote und viele Verletzte blieben auf dem Pflaster. Der Belagerungszustand<br />
wurde verhängt und die Führer der Aktion verhaftet. 24<br />
Der Vertrauensverlust der MSPD wurde das erste Mal bei den Reichstagswahlen<br />
im Juni 1920 deutlich. Im Wahlkreis Darmstadt verlor die MSPD im Verhältnis<br />
zu den Wahlen zur Nationalversammlung über 10 Prozent der Stimmen, <strong>in</strong><br />
Ma<strong>in</strong>z über 14 Prozent und <strong>in</strong> Offenbach fast 20 Prozent. <strong>Die</strong> Verluste kamen <strong>in</strong><br />
allen drei Fällen fast vollständig der USPD zugute. 25<br />
Ordnungsfaktor <strong>in</strong> Nordhessen: Der „Zentral-Arbeiter- und Soldatenrat“ <strong>in</strong> Kassel<br />
Nachdem am Morgen des 9. November <strong>1918</strong> etwa 200 Matrosen aus Köln <strong>in</strong><br />
Kassel die Revolution e<strong>in</strong>geleitet hatten, wurde noch am Nachmittag <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Volksversammlung, an der die Beschäftigten sämtlicher Betriebe teilnahmen, e<strong>in</strong><br />
provisorischer AuSR bestätigt. In der konstituierenden Versammlung am 12. November<br />
bekam der AuSR se<strong>in</strong>e endgültige Gestalt. <strong>Die</strong> Versammlung wurde aus<br />
300 Soldatenvertretern und aus 300 Arbeiterdelegierten gebildet. Letztere wurden<br />
nicht <strong>in</strong> den Betrieben gewählt, sondern je zur Hälfte von den Gewerkschaftsvorständen<br />
und vom Vorstand des Gewerkschaftskartells nom<strong>in</strong>iert. <strong>Die</strong> andere<br />
Hälfte wurde von den Vorständen der MSPD und der USPD entsandt. <strong>Die</strong> <strong>in</strong> dieser<br />
Versammlung durch Zuruf gewählte Exekutive des Arbeiterrates wurde durch<br />
die Arbeiterparteien paritätisch besetzt. Infolge der gemäßigten Haltung der Kas-<br />
22 Siehe ebenda, S. 405f.; Franz, Chronik Hessens, S. 330.<br />
23 Der Landtagspräsident Adelung bat se<strong>in</strong> Publikum <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Eröffnungsrede am 13. Februar um Nachsicht für<br />
eventuelle unvermeidliche Veränderungen: „Vergessen wir ... nicht, dass die Masse des Volkes mehr als je<br />
durch Sozialismus der kapitalistischen Gew<strong>in</strong>nanhäufung entgegen zu wirken sucht.“ Adelung, Se<strong>in</strong> und Werden,<br />
S. 194.<br />
24 Siehe Franz, Chronik Hessens, S. 334; Haren, Volkstaat Hessen, S. 164f.; Galm, Ich war halt e<strong>in</strong> Rebell, S.<br />
37f.<br />
25 Siehe Thomas Kle<strong>in</strong>: <strong>Die</strong> Hessen als Reichstagswähler 1867-1933, Bd. 3, Marburg 1993. <strong>Die</strong> Verr<strong>in</strong>gerung <strong>in</strong><br />
den e<strong>in</strong>zelnen Städten <strong>in</strong> absoluten Zahlen: Darmstadt <strong>1919</strong>: 16134, 1920: 12966; Ma<strong>in</strong>z <strong>1919</strong>: 27170, 1920:<br />
16414; Offenbach <strong>1919</strong>: 22544, 1920:13462. Im ganzen Volksstaat Hessen gaben im Januar <strong>1919</strong> 289.211<br />
Wähler der MSPD, 12.633 der USPD ihre Stimme. Im Juni 1920 entfielen auf die MSPD 179.800, auf die<br />
USPD 72.420 und auf die KPD 3.014 Stimmen. (Statistisches Handbuch für den Volksstaat Hessen 1924, S.<br />
153).<br />
138