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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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lenbergbau und der politische E<strong>in</strong>fluss der Unternehmer im Grunde unberührt.<br />

Gegen den Widerstand letztgenannter konnte der Kohlenrat auch nicht die ihm zugestandene<br />

Kontrolle der Preispolitik ausfüllen. 73<br />

Welches waren nun die Gründe für das Scheitern der Sozialisierung des Ruhrkohlenbergbaus<br />

im Frühjahr <strong>1919</strong>? Erstens entzog die politische Polarisierung im<br />

Industrierevier dem basisdemokratischen Sozialisierungskonzept den Boden.<br />

Zweitens setzten nicht nur die mächtige Phalanx der Unternehmer des Ruhrgebiets,<br />

sondern auch die Vorstände der Freien Gewerkschaften – <strong>in</strong>klusive der<br />

Führungsriege des Alten Verbandes – dem Projekt Widerstand entgegen. Sie verstanden<br />

sich im Zeichen des St<strong>in</strong>nes-Legien-Abkommens zuallererst als wirtschaftliche<br />

Interessenvertretung der Arbeitnehmerschaft. <strong>Die</strong> Vergesellschaftung<br />

von Industriesektoren lag außerhalb ihres politischen Entscheidungs- und Handlungshorizonts.<br />

Zudem räumten sie der Sicherung der sozialpolitischen Errungenschaften<br />

aus der ersten Revolutionsphase Priorität e<strong>in</strong>. Aus Sicht der Gewerkschafter,<br />

der MSPD-Spitze und der Reichsregierung sprachen drittens volkswirtschaftliche<br />

Gründe gegen die Sozialisierung des Ruhrkohlenbergbaus während<br />

des Übergangs von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft. Sie sahen durch das „Sozialisierungsexperiment“<br />

das Ziel e<strong>in</strong>er leistungsfähigen Ruhrkohlenwirtschaft <strong>in</strong><br />

Gefahr, die als Schlüssel<strong>in</strong>dustrie im ökonomischen Wiederaufbau betrachtet<br />

wurde. Neben die Furcht vor nicht zu überschauenden wirtschaftlichen und politischen<br />

Risiken trat viertens die Ahnung, verstaatlichtes Eigentum sei schutzlos<br />

den Reparationsforderungen der Alliierten ausgesetzt. 74<br />

Der Aufschwung des Anarcho-Syndikalismus im Ruhrgebiet <strong>1918</strong> bis 1920<br />

Zeitgleich mit den Protesten des Frühjahrs <strong>1919</strong> erfuhr der gewerkschaftlich getragene<br />

Anarcho-Syndikalismus e<strong>in</strong>e Hochkonjunktur, er war sowohl treibende<br />

Kraft als auch Profiteur der Radikalisierungsschübe im Ruhrgebiet zwischen <strong>1918</strong><br />

und 1920. Ausgehend von den Hamborner Streikaktionen vom Dezember <strong>1918</strong><br />

wuchs sich der Syndikalismus im Ruhrgebiet rasch zu e<strong>in</strong>er Massenbewegung<br />

aus, die mit den Generalstreiks und dem Ruhrkampf phasenhaft verschobene Kulm<strong>in</strong>ationspunkte<br />

erfuhr. Der auf politische Mäßigung und wirtschaftliche Konsolidierung<br />

bedachte Kurs der Freien Gewerkschaften und des Alten Verbandes<br />

führte im Frühjahr <strong>1919</strong> zu erheblichen Mitgliederverlusten und h<strong>in</strong>terließ im politisch<br />

polarisierten Ruhrgebiet erheblichen Manövrierraum für e<strong>in</strong>e radikale Gewerkschaftsalternative,<br />

den die syndikalistische Bewegung unter dem E<strong>in</strong>fluss der<br />

Streiks, der Unruhen und Demonstrationen auszufüllen wusste. Dabei konnte sie<br />

an ältere syndikalistische Traditionen <strong>in</strong> der Gewerkschaftsbewegung und organi-<br />

73 Siehe ebenda, S. XXVIIf; W<strong>in</strong>kler, Revolution, S. 144f.<br />

74 Siehe Abelshauser, Umsturz, S. XXV, XXVIIIf.; Schönhoven, Gewerkschaften, S. 126-128; W<strong>in</strong>kler, Revolution,<br />

S. 196-198.<br />

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